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Lange Verfahrensdauer: Wie hoch ist die Entschädigung?

Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass allein der geringe Streitwert der ursprünglichen Klage nicht dazu führt, dass die jährliche Regelentschädigung (Entschädigungspauschale) wegen immaterieller Nachteile bei überlanger Verfahrensdauer auf den Streitwert des Ausgangsverfahrens abgesenkt wird. Damit widersprach das BSG dem Vorgehen des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz.

Darum geht es

In dem entschiedenen Fall hatte das Landessozialgericht anstelle der begehrten 2.100 € für eine Verfahrensverzögerung von 21 Monaten nur eine Entschädigung von 216 € zugebilligt. Dies entsprach dem Streitwert der ursprünglichen Klage gegen die Absenkung der Regelleistung nach dem SGB II wegen eines Meldeversäumnisses.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Bei der Frage, in welchem Umfang die Klägerin einen Nachteil erlitten hat, der in Geld zu entschädigen ist, bietet das Gesetz keine Legitimation für eine grundsätzliche Kappung der Entschädigung auf den Betrag des Streitwerts in Fällen, in denen die Entschädigungspauschale den Streitwert um ein Vielfaches übersteigt.

Die Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer ist in Verfahren mit niedrigen Streitwer­ten deshalb nicht ohne weiteres auf den Betrag des Streitwerts begrenzt.

Nur wenn die Entschädigung von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen. Dies ist nur in atypischen Sonderfällen anzunehmen.

Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pauschalierung soll eine zusätzliche Belastung der Gerichte bei der Bemessung der Entschädigung in Geld vermeiden.

Der geringe Streitwert ist in Grundsicherungsangelegenheiten keine Besonderheit und als genereller Maßstab für eine Absenkung nicht tauglich. Berücksichtigungsfähig im Sinne einer Absenkung sind etwa eine außergewöhnlich geringe Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen oder aber auch eine nur kurzzeitige Verzögerung.

Die noch fehlenden Feststellungen zu atypischen Besonderheiten wird das Landessozialgericht noch nachzuholen haben, ebenso wie diejenigen zur Unangemessenheit der Verfahrensdauer unter Berücksichtigung der jüngeren Senatsrechtsprechung.

Bundessozialgericht, Urt. v. 12.02.2015 - B 10 ÜG 11/13 R                     

Quelle: Bundessozialgericht, Pressemitteilung v. 12.02.2015