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Strafbare Kollektivbeleidigung?

Das Tragen eines mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ beschrifteten Ansteckers im öffentlichen Raum ist vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nicht ohne weiteres strafbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht zur sogenannten Kollektivbeleidigung entschieden. Demnach muss sich eine strafbare Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe beziehen.

Darum geht es

Die Beschwerdeführerin wurde von einer Polizeistreife angetroffen, wobei sie einen Anstecker trug, der mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ beschriftet war. Das Amtsgericht verurteilte die Beschwerdeführerin wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

Das Gericht begründete die Verurteilung damit, dass „FCK CPS“ als Abkürzung für „Fuck Cops“ stehe und diese Äußerung eine Kundgabe der Missachtung sei, weil sie den sozialen Wert der betroffenen Personen im Amt betreffe und schmälern solle. Die Revision der Beschwerdeführerin zum Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Die Verurteilung wegen Beleidung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (StGB) setzt voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht; ansonsten ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt.

Der Aufdruck „FCK CPS“ ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin greift in dieses Grundrecht ein.

Die Auslegung und Anwendung der Strafgesetze ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Vorliegend hat jedoch das Amtsgericht in seiner Entscheidung die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung verkannt, indem es eine hinreichende Individualisierung des negativen Werturteils angenommen hat.

Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, kann zwar unter bestimmten Umständen ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein.

Je größer das Kollektiv ist, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs geht.

Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet.
Diesen Vorgaben wird das Urteil des Amtsgerichts nicht gerecht.

Es fehlt an hinreichenden Feststellungen zu den Umständen, die die Beurteilung tragen könnten, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht. Nach den dargelegten Maßstäben reicht es nicht aus, dass die örtlichen Polizeikräfte eine Teilgruppe aller Polizisten und Polizistinnen sind.

Vielmehr bedarf es einer personalisierenden Zuordnung, für die hier nichts ersichtlich ist. Es kann nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung allein durch das Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese konkretisierten Aussagegehalt gewonnen hat.

Der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum reicht nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Benennung der Umstände nicht aus, die eine aus dem Wortlaut einer Äußerung nicht erkennbare Konkretisierung bewirken.

Da das Oberlandesgericht die Revision als offensichtlich unbegründet erachtet hat, leidet seine Entscheidung an denselben Mängeln wie das Urteil des Amtsgerichts. Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts werden daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

BVerfG, Beschl. v. 26.02.2015 - 1 BvR 1036/14

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 28.04.2015