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Familienrecht -

Gemeinsames Sorgerecht nicht immer im Sinne des Kindeswohls

OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.06.2012 - 10 UF 45/12

Die Anordnung des gemeinsamen Sorgerechts zu Gunsten des nichtehelichen Vaters ohne Zustimmung der Mutter verbietet sich, wenn bei beiden Elternteilen so erhebliche Vorbehalte gegen den jeweils andern bestehen, dass ein vertrauensvolles Zusammenwirken im Interesse des Kindeswohls ausgeschlossen erscheint.

Darum geht es

Aus der nichtehelichen Beziehung der Beteiligten ist ein im Oktober 2008 geborenes Kind hervorgegangen, das seit der Trennung der Eltern im Oktober 2010 bei der Mutter lebt. Der Vater hatte die Vaterschaft noch vor der Geburt wirksam anerkannt. Eine gemeinsame Sorgeerklärung gaben die Eltern nicht ab.

Im März 2011 kam es zwischen den Eltern mehrmals zu größeren Auseinandersetzungen und zum Streit über den Umgang des Vaters mit dem Kind. Ein von ihm eingeleitetes Umgangsverfahren endete kurz darauf mit einem Umgangsvergleich. Seitdem hat der Vater regelmäßig und Wochenend-, Feiertags- und Ferienumgang.

In dem vorliegenden vom Vater gleichzeitig eingeleiteten Sorgerechtsverfahren hat das AG im Februar 2012 angeordnet, dass die elterliche Sorge für das Kind zukünftig gemeinsam ausgeübt wird. Nach Meinung des AG hat ein Termin bei einer Familien- und Erziehungsberatung zwar zu keiner Verbesserung der Kommunikation über das gemeinsame Kind geführt. Es sei jedoch davon auszugehen, dass durch weitere Beratung und eine zunächst schriftliche Kommunikation zwischen den Eltern eine weitere Entspannung eintrete. Dafür spreche auch der Umstand, dass die Eltern ihre unterschiedlichen Meinungen nicht vor dem Kind austauschen würden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auf die Beschwerde der Mutter hebt das OLG den Beschluss auf und weist den Antrag des Vaters zurück.

Nachdem das BVerfG (Beschl. v. 21.07.2010 - 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403) die Regelungen der §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1 BGB für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 GG erklärt hat, sind sie weder nichtig noch generell unanwendbar. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, für den bisher nicht sorgeberechtigten Vater eine Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung zu schaffen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder ihm - in Abwägung seines Elternrechts mit dem der Mutter - sogar die alleinige Sorge für das Kind zu übertragen ist. Jedoch dürfen die Zugangsvoraussetzungen für die gemeinsame Sorge nicht zu hoch angesetzt werden.

Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung muss das Familiengericht gemäß der vorläufigen Anordnung des BVerfG den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge ganz oder teilweise gemeinsam übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Grundsätzlich dient es dem Wohl eines Kindes, wenn es in dem Bewusstsein lebt, dass beide Elternteile für es Verantwortung tragen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Kind zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung hat und wenn sich beide um das Kind kümmern und Kontakt mit ihm pflegen. Die gemeinsame elterliche Sorge ist allerdings nur möglich, wenn zwischen den Eltern nicht nur ein Mindestmaß an Übereinstimmung besteht, sondern wenn sie auch kooperationsfähig und -bereit sind und über eine angemessene Kommunikationsbasis verfügen.

Das OLG knüpft die Zurückweisung des Antrags des Vaters allerdings ausdrücklich nicht an die unterschiedlichen Auffassungen der Eltern über die Angelegenheiten des Kindes wie z.B. Fragen der Einschulung, der Freizeitaktivitäten (Musik, Sport), der Hobbys oder auch der Gesundheitsfürsorge und der medizinischen Behandlungen. Entscheidend ist für das OLG vielmehr die Tatsache, dass die Eltern derzeit und in der näheren Zukunft nicht in der Lage sein werden, miteinander zu kommunizieren. Die erforderlichen kindeswohlverträglichen Abstimmungen, die zu konstruktiven Lösungen führen, können bei unterschiedlichen Auffassungen kaum stillschweigend erfolgen.

Ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern ist nicht zu verantworten, wenn bei beiden Elternteilen so erhebliche Vorbehalte gegen den jeweils anderen bestehen, dass sie ein vertrauensvolles Zusammenwirken im Interesse des Kindeswohls ausschließen.

Quelle: Horst-Heiner Rotax - vom 04.09.12