Sozialrecht, Steuerberatung -

Verstößt Altersvorsorgezulage gegen EU-Recht?

Die Europäische Kommission leitet ein Verfahren gegen Deutschland wegen der Altersvorsorgezulage ein.

Sie hat Deutschland förmlich ersucht, seine Rechtsvorschriften über die Altersvorsorgezulage, mit der die private Altersvorsorge gefördert wird, zu ändern.

Nach Auffassung der Kommission verstößt die ungleiche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden bei bestimmten Aspekten dieser Rechtsvorschriften gegen die Bestimmungen des EG-Vertrages über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Unionsbürger. Das Ersuchen hat die Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme nach Artikel 226 Absatz 1 EG-Vertrag. Falls Deutschland dieser Stellungnahme nicht in zufrieden stellender Weise nachkommt, kann die Kommission den Gerichtshof anrufen.


Hintergrund:

Mit der in den §§ 79 bis 99 Einkommensteuergesetz (EStG) vorgesehenen deutschen Altersvorsorgezulage soll der Einzelne ermutigt werden, eine eigene kapitalgedeckte Vorsorge für das Alter zu treffen („Riester-Rente“), die die Sozialversicherungsrente ergänzt. Es bestehen jedoch drei Beschränkungen für die Gewährung dieser Zulage, die nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind:

Zulageberechtigt ist nur, wer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Gebietsfremde Arbeitnehmer, die weniger als 90 % ihre Familieneinkommens in Deutschland verdienen, können nicht in den Genuss der Zulage kommen, obwohl sie ihre Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland entrichten.

Das mit der Zulage geförderte Kapital kann nur für den Erwerb einer eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung verwendet werden, wenn diese in Deutschland liegt. Dies bedeutet, dass es für Grenzgänger nicht möglich ist, mit ihrem Sparkapital eine Wohnung in ihrem Wohnsitzstaat zu kaufen.

Die Zulage muss zurückgezahlt werden, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht endet. Dies ist in der Regel der Fall, wenn Wanderarbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in ihr Heimatland zurückkehren, kann aber beispielsweise auch Deutsche betreffen, die als Rentner im Ausland leben.


Nach Ansicht der Kommission verstößt die Bundesrepublik Deutschland mit diesen Vorschriften gegen Artikel 12 EG-Vertrag, der jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, gegen Artikel 18 EG-Vertrag, der den Unionsbürgern Freizügigkeit gewährt, gegen Artikel 39 EG-Vertrag, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet, und gegen Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68, nach dem ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und in einem anderen Mitgliedstaat arbeitet, die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen erhalten muss wie die inländischen Arbeitnehmer.

Quelle: Europ. Kommission - Pressemitteilung vom 13.01.06