Arbeitsrecht -

Hätten Sie es gewusst?

Was ist der Unterschied zwischen Arbeit auf Abruf und Überstunden?

Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer verpflichten, über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistung auf Aufforderung je nach Arbeitsanfall zu leisten?{DB:tt_content:2566:bodytext}

Überstunden werden wegen bestimmter besonderer Umstände vorübergehend zusätzlich geleistet. Eine Vereinbarung zur Leistung von Überstunden liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer verpflichtet, bei einem vorübergehenden zusätzlichen Arbeitsbedarf länger als vertraglich vereinbart zu arbeiten (BAG, Urt. v. 21.11.2001   5 AZR 296/00). Gesetzliche Regelungen zu Überstunden bestehen nur punktuell wie z.B. in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

Arbeit auf Abruf liegt vor, wenn für den Arbeitnehmer eine selbständige, nicht auf Unregelmäßigkeit oder Dringlichkeit beschränkte Verpflichtung besteht, auf Anforderung des Arbeitgebers zu arbeiten. Die Arbeit auf Abruf ist in § 12 TzBfG spezialgesetzlich geregelt. Die Vereinbarung über Abrufarbeit muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen.

Zu dieser Regelung und den zulässigen Gestaltungsformen hat das BAG mit dem Urteil vom 07.12.2005 – 5 AZR 535/04 eine wichtige Grundsatzentscheidung getroffen, mit der die bisherige Auffassung über Bord geworfen wurde.

Danach ist es ausreichend, wenn die Vereinbarung über Abrufarbeit eine Mindestarbeitsdauer festlegt. Nur bei einer vereinbarten Mindestdauer der wöchentlichen und der täglichen Arbeitszeit mache die zulässige Vereinbarung von Arbeit auf Abruf überhaupt Sinn. Denn die mit der Arbeit auf Abruf bezweckte Flexibilisierung der Arbeitszeit könne nur erreicht werden, wenn hinsichtlich der Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit keine starren gesetzlichen Vorgaben bestünden.

Ausdrücklich aufgegeben wurde die Rechtsprechung aus dem Urteil vom 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, nach der eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die bei arbeitszeitabhängiger Vergütung den Arbeitgeber berechtige, die festgelegte Arbeitszeit später einseitig nach Bedarf zu reduzieren, eine objektive Umgehung von zwingenden Vorschriften des Kündigungsschutzrechts darstelle und daher nach § 134 BGB nichtig sei. Denn seit In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 01.01.2002 erfolge die Inhaltskontrolle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers ausschließlich nach den §§ 305 ff. BGB. Voraussetzung ist also das Vorliegen eines Formulararbeitsvertrags, was nahezu ausschließlich den Regelfall darstellt.

Der Arbeitgeber trägt nach dem gesetzlichen Leitbild das Verwendungsrisiko der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 615 BGB. Er bleibt auch dann zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn er den Arbeitnehmer nicht einsetzen kann. Durch die Vereinbarung von Arbeit auf Abruf über eine festgelegte Mindestarbeitszeit hinaus weicht der Arbeitgeber von diesem Rechtsgrundsatz ab und verlagert einen Teil des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer.

Unter Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an einer Flexibilisierung der Arbeitszeitdauer und des Interesses des Arbeitnehmers an einer festen Regelung der Dauer der Arbeitszeit und der sich daraus ergebenden Arbeitsvergütung verneint das BAG anhand des Prüfungsmaßstabs des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Falle der Vereinbarung von Abrufarbeit unter folgenden alternativen Voraussetzungen:

  • Die über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgehende abrufbare Arbeitsleistung darf 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit nicht überschreiten.

  • Die vereinbarte Verringerung der Arbeitszeit darf 20 % der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit nicht unterschreiten.

Unter diesen Voraussetzungen ist die Vereinbarung von Abrufarbeit wirksam. Die Verknüpfung der Vereinbarung von Abrufarbeit mit der Verpflichtung zur Leistung von Überstunden ist zulässig.

Fazit:

Das BAG erkennt das Interesse des Arbeitsgebers an der Flexibilität der Arbeitsbedingungen ausdrücklich als gerechtfertigt an. Die Erbringung von Arbeit in starren Arbeitszeitrastern sei heute nicht mehr möglich, die Wettbewerbsbedingungen erforderten flexible Arbeitszeitsysteme. Es erkennt, dass das Instrument der betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung zur Gewährleistung der notwendigen Flexibilität ungeeignet ist.

Die neue Rechtsauffassung eröffnet den Arbeitgebern erhebliches Flexibilisierungs- und Einsparpotential.

Quelle: Deubner Redaktion - Beitrag vom 27.06.06