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Leistungsbeurteilung im Arbeitszeugnis

Sehr gute Arbeitsergebnisse allein begründen keinen Anspruch auf eine gute oder sehr gute Gesamtbeurteilung im Zeugnis. Das hat das LAG Köln entschieden. Arbeitnehmer müssen im Streitfall die Tatsachen darlegen und beweisen, die eine überdurchschnittliche Gesamtbeurteilung begründen. Zwischenzeugnisse können den Arbeitgeber ggf. auch an frühere Beurteilungen binden.

Sachverhalt

Ein Architekt stand vom 01.10.2002 bis zum 30.06.2015 in einem Arbeitsverhältnis. Mit Schreiben vom 02.02.2006 bescheinigte der Vorgesetzte, „dass sowohl Ihr Referatsleiter als auch ich mit den von Ihnen gezeigten Leistungen sehr zufrieden sind“.

In den Jahren 2008 bis 2013 praktizierte der Arbeitgeber ein System der leistungsorientierten Bezahlung („LOB“) nach § 5 des Tarifvertrags über das Leistungsentgelt für die Beschäftigten des Bundes (LeistungsTV-Bund). In diesem Rahmen erfolgte eine systematische Leistungsbewertung der Arbeitnehmer u.a. in den Bereichen „Arbeitsquantität“, „Arbeitsqualität“ und „Zusammenarbeit“. In jedem der Jahre 2008 bis 2013 wurden die Leistungen des Architekten danach bewertet. Er erhielt in jedem dieser Jahre eine Leistungsprämie.

Seit dem 11.02.2014 war der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber erteilte ein Schlusszeugnis, das er auf den 30.06.2015 datierte. Es wies eine „befriedigende“ Gesamtbeurteilung („zu meiner vollen Zufriedenheit“) aus. Der Architekt hat Klage vor dem ArbG Bonn erhoben. Er begehrt die Korrektur des erteilten Zeugnisses dergestalt, dass die zusammenfassende Gesamtbeurteilung eine gute Bewertung enthält („stets zu meiner vollen Zufriedenheit“).

Das ArbG Bonn hat die Klage mit Urteil vom 16.02.2016 (7 Ca 1759/15) abgewiesen, das LAG Köln die dagegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 16.12.2016 (4 Sa 353/16) zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Kläger erstrebt die Änderung der erteilten Gesamtbewertung, die der Note „befriedigend“ entspricht, in eine Gesamtbewertung, die der Note „gut“ entspricht.

Nach § 109 Abs. 1 S. 3 GewO kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sich die Angaben im Zeugnis auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Der Anspruch ist auf ein leistungsgerechtes Zeugnis gerichtet. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen.

Dies hat der Kläger nicht dargelegt, auch nicht anhand von Indizien. Tatsächlich bescheinigte der Arbeitgeber im Rahmen der Leistungsbewertung nach LeistungsTV-Bund durchschnittliche Arbeitsergebnisse. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellte, die Beklagte habe die Arbeitsergebnisse des Klägers als überdurchschnittlich bewertet, fehlte ein ausreichender Vortrag des Klägers. Allein die Tatsache, dass der Kläger sehr gute Arbeitsergebnisse erzielt hat, rechtfertigte die Annahme nicht, dass nur eine überdurchschnittliche Gesamtbeurteilung leistungsgerecht sei.

Der Arbeitnehmer schuldet Arbeitsleistung und nicht bestimmte Arbeitsergebnisse. Ein Arbeitszeugnis umfasst daher die Bewertung zahlreicher Gesichtspunkte wie etwa Arbeitsbefähigung, Arbeitsumfang, Arbeitsbereitschaft, Einsatz, Ausdauer, Sorgfältigkeit, Ausdrucksvermögen und Verhandlungsgeschick. Die Arbeitsergebnisse stellen somit lediglich einen Teilbereich dar. Die Leistungsbeurteilung in einem sehr alten Schreiben (hier: neun Jahre), das nur ein Drittel der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt, bindet den Arbeitgeber bei der Gesamtbeurteilung im Zeugnis nicht.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das Urteil folgt der ständigen Rechtsprechung des BAG zum Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. Es orientiert sich insbesondere an dem Schulnotensystem, das das BAG entwickelt hat (BAG, Urt. v. 18.11.2014, 9 AZR 584/13; BAG, Urt. v. 14.10.2003, 9 AZR 12/03). Bedeutung hat der Begründungsansatz, dass die überdurchschnittliche Beurteilung in einem (wesentlichen) Teilbereich kein ausreichendes Indiz für die Tatsache darstellt, dass ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung leistungsgerecht ist.

Das LAG Köln verneint darüber hinaus die Bindung des Arbeitsgebers an eine lang zurückliegende Beurteilung bei der Zeugniserteilung. Es bleibt also dabei, dass eine Bindung des Arbeitgebers nur begründet wird, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit bereits ein Zeugnis bzw. ein Zwischenzeugnisses erteilt hat (BAG, Urt. v. 21.06.2005, 9 AZR 352/04).

Praxishinweis

Das Urteil stellt den Ansatz der normativen Durchschnittlichkeit eines Zeugnisses nicht in Frage. Danach liegt eine überdurchschnittliche Beurteilung vor, wenn sie der Schulnote „gut“ oder „sehr gut“ entspricht. Es kommt nicht auf die statistische Verteilung der Zeugnisbeurteilungen in einer Branche an. Selbst wenn 86,6 % der tatsächlich erteilten Zeugnisse eine gute oder sehr gute Gesamtbeurteilung ausweisen, entspricht eine durchschnittliche Beurteilung deshalb trotzdem einem „befriedigend“ (BAG, Urt. v. 18.11.2014, 9 AZR 584/13).

Den Arbeitnehmer, der eine übliche statt einer „durchschnittlichen“ Gesamtbeurteilung anstrebt, trifft also weiterhin die volle Darlegungs- und Beweislast für solche Tatsachen, die einen Anspruch auf überdurchschnittliche Gesamtbeurteilung im Zeugnis begründen. Die Arbeitsgerichte verlangen viel. Aus dem Vortrag muss sich ergeben, leistungsgerecht sei ausschließlich (!) eine überdurchschnittliche Beurteilung. Faktisch werden Zeugnisstreitigkeiten deshalb im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen entschieden: Es bedarf eines Tatbestands, der den Arbeitgeber bindet, oder der vertraglichen Übertragung der Formulierungshoheit hinsichtlich des Zeugnisses auf den Arbeitnehmer.

LAG Köln, Urt. v. 16.12.2016 - 4 Sa 353/16

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber