Erbrecht -

Voraussetzungen für die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch bei einer Verfügung des Vorerben

OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.08.2011 - 20 W 356/11

Ein Nacherbenvermerk wird gelöscht, wenn der Nacherbe darauf verzichtet, die Löschung bewilligt, einer Verfügung des Vorerben zustimmt oder der Nacherbenvermerk von Anfang an unwirksam war bzw. nachträglich gegenstandslos geworden ist

Darum geht es:

Der Notar hat dem Grundbuchamt eine beglaubigte Ablichtung eines notariellen Kaufvertrags vorgelegt. Nach dem Kaufvertrag erwarb die Käuferin das Grundstück zu einem Kaufpreis von 60.000 € von der Verkäuferin, einer befreiten Vorerbin. Es wurde unter anderem auch die Löschung des Nacherbenvermerks beantragt. Der Notar legte weiter eine Zustimmungserklärung des Hausverwalters vor, in der es auszugsweise wörtlich heißt:

„Allerdings ist nach Auffassung der Hausverwaltung der Kaufpreis von 60.000 €, gemessen an dem Schätzwert des Ortsgerichts von O1 (s. Schätzurkunde vom 03.02.2010) in Höhe von 135.000 € sehr niedrig und entspricht nicht dem Verkehrswert."

Das Grundbuchamt hat daraufhin mit Verfügung vom 21.04.2011 die Verkäuferin um Vorlage des Verkehrswertgutachtens als Grundlage für die Kostenrechnung gebeten. Weiter wies es darauf hin, dass zur Löschung des Nacherbenvermerks die Bewilligung des Nacherben in der Form des § 29 GBO erforderlich sei.

Die Verkäuferin legte das verlangte Gutachten nicht vor und führte lediglich aus, dass der angesetzte Verkaufspreis von 135.000 € auf dem Markt nicht zu erzielen war.

Daraufhin erinnerte das Grundbuchamt nochmals an die Vorlage des Verkehrswertgutachtens und erachtete unter Fristsetzung die Bewilligung des Nacherben zur Löschung des Nacherbenvermerks in der Form des § 29 GBO für erforderlich, da die Entgeltlichkeit der Grundstücksverfügung nicht nachgewiesen wurde. Gegen diese Zwischenverfügung legte die Verkäuferin Beschwerde ein.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.

Im Grundsatz war die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes, mit der es die Bewilligung des Nacherben zur Löschung des Nacherbenvermerks in der Form des § 29 GBO mit der Begründung aufgegeben hatte, dass die Entgeltlichkeit nicht nachgewiesen sei, nicht zu beanstanden.

Nach allgemeiner Ansicht wird vor Eintritt des Nacherbfalls ein Nacherbenvermerk nur gelöscht, wenn der Nacherbe auf den Nacherbenvermerk verzichtet, die Löschung bewilligt, einer Verfügung des Vorerben zustimmt oder nachgewiesen bzw. offenkundig ist, dass der Nacherbenvermerk von Anfang an unwirksam war bzw. nachträglich gegenstandslos geworden ist.

Da der Nacherbe die Löschung bisher nicht bewilligt hat, kommt es vorliegend entscheidend darauf an, ob die Verfügung über das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich erfolgte. Denn wenn die Verfügung durch den befreiten Vorerben entgeltlich erfolgte, bedurfte sie nicht der Zustimmung des Nacherben und der Nacherbenvermerk wäre nachträglich gegenstandslos geworden.

Eine Verfügung ist i.S.d. § 2113 BGB unentgeltlich, wenn der Vorerbe objektiv ohne gleichwertige Gegenleistung ein Opfer aus der Erbschaftsmasse erbringt und subjektiv zugleich weiß, dass für dieses Opfer keine gleichwertige Gegenleistung zufließt bzw. er die Unzulänglichkeit des Zuflusses hätte erkennen müssen.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt konnte das Grundbuchamt davon ausgehen, dass eine Unentgeltlichkeit nicht offenkundig bzw. nachgewiesen war.

Das Grundbuchamt konnte aufgrund des Vorhandenseins eines Schätzgutachtens über 135.000 € und des stark abweichenden Verkaufspreises von 60.000 € an der Unentgeltlichkeit berechtigte Zweifel hegen. Der dürftige Vortrag der Verkäuferin konnte diese Zweifel auch nicht ausräumen.

Nach Ansicht des Gerichts könnte allenfalls die Vorlage eines Wertgutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, das sich ausführlich mit dem Schätzgutachten des Ortsgerichts von O1 auseinandersetzt, die Zweifel an der Unentgeltlichkeit ausräumen und somit eine Löschungsbewilligung entbehrlich machen.

Folgerungen aus der Entscheidung:

Zur Löschung des Nacherbenvermerks bedarf es grundsätzlich der Mitwirkung des Nacherben. Nur wenn gegenüber dem Grundbuchamt nachgewiesen wird oder es für das Grundbuchamt offenkundig ist, dass der Nacherbenvermerk von Anfang an unwirksam war bzw. nachträglich gegenstandslos geworden ist, wird der Nacherbenvermerk auch ohne Mitwirkung des Nacherben gelöscht.

In der Praxis trifft das auf jene Fälle zu, in denen der Nacherbe auf seine Nacherbschaft in notarieller Form verzichtet hat oder eine Verfügung über ein Grundstück auch ohne Zustimmung des Nacherben wirksam ist. Da der befreite Vorerbe über Grundstücke entgeltlich ohne Zustimmung des Nacherben verfügen darf, wird in einem solchen Fall das Grundbuch nachträglich unrichtig und der Nacherbenvermerk ist ohne weitere Mitwirkung seitens des Nacherben zu löschen.

Praxishinweis:

Die vorliegende Rechtsprechung und die Regelung des § 2113 BGB dienen dem Schutz des Nacherben. Es soll verhindert werden, dass der befreite Vorerbe zum Nachteil des Nacherben Verfügungen vornimmt, welche die Nacherbschaft schmälern. Der befreite Vorerbe darf daher nicht (teil-)unentgeltlich ohne Zustimmung des Nacherben über Nachlassgegenstände verfügen.

Sollte das Grundbuchamt eine Löschung des Nacherbenvermerks aufgrund nachträglicher Gegenstandslosigkeit wegen einer nur vermeintlichen entgeltlichen Verfügung vornehmen, so kann der Nacherbe gegen den Vorerben oder den Erwerber auf Feststellung der Unwirksamkeit der Verfügung im Nacherbfall klagen. Jedoch bleibt selbst bei Obsiegen die Verfügung bis zum Eintritt des Nacherbfalls wirksam. Sobald der Nacherbfall eingetreten ist, kann der Nacherbe die Herausgabe des Erlangten gem. § 985 BGB fordern. Bei einer Grundstücksverfügung kann er eine Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB verlangen.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 17.11.11