Kostenrecht -

Prozesskostenhilfe: Rechtsanwaltsgebühr nur bei anhängigen Verfahren

Ein im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneter Rechtsanwalt erhält die Terminsgebühr nur aus anhängigen, nicht aber auch aus den in einen Vergleich mit einbezogenen nicht anhängigen Gegenständen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
In einem Scheidungsverfahren mit der anhängigen Folgesache Versorgungsausgleich hatten die Parteien eine Vereinbarung betreffend den gegenseitigen Unterhaltsverzicht sowie zum Zugewinnausgleich (Übernahme der gemeinsamen Eigentumswohnung durch die Antragsgegnerin) getroffen. Die bewilligte Prozesskostenhilfe wurde auf Antrag beider Parteivertreter auf die geschlossene Vereinbarung erstreckt.

Das OLG hat in der Beschwerdebegründung ausgeführt, dass bei einer Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf eine Vereinbarung diese nur für die durch die Vereinbarung selbst angefallenen Gebühren gilt und hierzu nicht die Terminsgebühr zählt. Nach der Entscheidung des OLG ist die Rechtslage in einem solchen Fall vergleichbar derjenigen, dass in einem PKH-Bewilligungsverfahren das Gericht Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs gewährt und in dem Zusammenhang auf die hier zu einschlägige Rechtsprechung des BGH verwiesen (NJW 2004, 2595).

Nach der zitierten Entscheidung des BGH ist bei einer nur auf den Abschluss einer Vereinbarung beschränkten Prozesskostenhilfe neben der Terminsgebühr jedoch auch die Verfahrensgebühr nicht miterfasst bzw. wird nicht aus der Staatskasse erstattet.

Die Entscheidung des OLG zwingt Rechtsanwälte zu folgender Differenzierung:
Die PKH-Bewilligung erstreckt sich ausdrücklich auch auf den gesamten Vergleichsabschluss
In einem solchen Fall erstreckt sich die PKH auch auf die 1, 2 Terminsgebühr aus dem Mehrwert des Vergleichs, welche bei einer Erörterung über nicht rechtshängige Ansprüche gem. VV 3104 Abs. 2 entsteht (OLG Koblenz, AGS 2006, 349).
Dies hat zur Folge, dass der Prozessbevollmächtigte gem. §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 RVG gegen die Staatskasse einen Vergütungsanspruch im Hinblick auf Gebühren erworben hat, die auf Grund des Vergleichschlusses vor Gericht angefallen sind.

PKH erstreckt sich nicht ausdrücklich auf den gesamten Vergleichsabschluss
Hier gilt es § 48 Abs. 3 RVG zu beachten. Hiernach erstreckt sich die PKH-Bewilligung in einer Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftssache auch auf den Abschluss eines Vertrages nach Nr. 1000 RVG-VV. Kraft Gesetzes erstreckt sich die PKH-Bewilligung somit auf folgende Gegenstände:
  • gegenseitiger Unterhalt der Ehegatten,

  • Unterhalt gegenüber Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,

  • die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,

  • die Regelung des Umgangs mit einem Kind,

  • die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und dem Hausrat,

  • den Ansprüchen aus dem ehelichen Güterrecht.

Es stellt sich überdies die Frage, ob sich die PKH-Bewilligung nach § 48 Abs. 3 RVG in einer Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftssache Kraft Gesetzes auch auf die Terminsgebühr erstreckt?

Um dies beantworten zu können, muss man den geschichtlichen Hintergrund der Norm erkennen: die Vorschrift übernimmt den ehemaligen § 122 Abs. 3 BRAGO. Diese durch Kostennovelle von 1975 eingeführte Regelung sollte es dem Anwalt ermöglichen, schon ab der Beiordnung für die Ehesache (jetzt auch Lebenspartnerschaftssache) die mit dieser verbundenen Fragen in ihrer Gesamtheit zu sehen und einzubeziehen (BT-Drucks. 7/3234), wenn auch nur mit dem Ziel, insoweit eine Regelung durch Vergleich anzustreben. Letztendlich sollte dadurch ein Anreiz für eine Scheidungsfolgenvereinbarung im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens geschaffen werden, weshalb die entsprechende Folgesache auch nicht anhängig gemacht werden muss und es insoweit keines Antrages auf Gewährung von PKH bedarf (AnwK-RVG/Schnapp, 3. Aufl., § 48 Rn. 43).

Hierzu folgender Ausgangsfall:
Zwischen Eheleuten ist ein Scheidungsverfahren anhängig (Wert: 6.000 €); die Anwälte verhandeln außergerichtlich eine Scheidungsfolgevereinbarung aus, die folgende nicht anhängige Gegenstände mitregelt: Ehegattenunterhalt (Wert: 3.000 €), Hausrat (Wert: 5.000 €); in der mündlichen Verhandlung wird nach Erörterung der Angelegenheit die Vereinbarung protokolliert. Beiden Parteien ist PKH bewilligt.

Folgende Argumente sprechen für eine Erstattung der Terminsgebühr aus der Staatskasse

  • Während nach der BRAGO die Verhandlungsgebühr nicht automatisch von der PKH-Bewilligung erfasst war, hat sich die Rechtslage seit dem 01.07.2004 grundlegend geändert: nach BRAGO-Rechtslage konnte die Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 nur in einem gerichtlichen Termin zur mündlichen Verhandlung entstehen. Andere Entstehungstabestände sah die BRAGO - abgesehen vom Fall des § 35 BRAGO - nicht vor. Stets war Voraussetzung, dass die Gegenstände anhängig waren. Denn begrifflich konnte nur über das verhandelt werden, was zuvor auch durch Antrag zur Entscheidung gestellt wurde. Die hier in Frage kommenden Scheidungsfolgevereinbarungen betreffen aber nicht anhängige Gegenstände, sodass ein Verhandeln im beschriebenen Sinne nicht stattfinden, infolge dessen auch keine Verhandlungsgebühr anfallen konnte.

  • Seit der neuen Gesetzeslage entsteht anstelle der Verhandlungsgebühr eine Terminsgebühr nach VV Vorbem. 3 Abs. 3. Diese fällt bereits für „die Mitwirkung an auf die Vermeidung ... des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts“ an. Insofern kann auch bei nicht anhängigen Gegenständen, nach entsprechendem Auftrag, durch außergerichtliche Besprechungen eine Terminsgebühr entstehen. Dies hat m.E. zur Folge, dass die für die Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftssache bewilligte PKH im Falle einer Einigung auch die Terminsgebühr Kraft Gesetzes erfasst. Für diese Ansicht spricht auch die Gesetzesbegründung zur Vorb. 3. Abs. 3 Alt. 3 (BT-Drucks. 15/1971 S. 209 li. Sp). Hiernach soll der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrensbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Die Gebühr soll insbesondere dann bereits verdient sein, wenn die Besprechungen auf den Abschluss einer Vereinbarung hinzielen.

  • Darüber hinaus ist es durch nichts zu rechtfertigen nur dem Wahlanwalt die Terminsgebühr zuzuerkennen, dem PKH-Anwalt hingegen nicht, obwohl in beiden Fällen das gesetzgeberische Ziel der Justizentlastung erreicht wurde.

Fazit
In allen anderen Fallgestaltungen außerhalb des § 48 Abs. 3 RVG muss der Anwalt unbedingt darauf achten, dass die PKH Bewilligung auch auf die nicht rechtshängigen Ansprüche erstreckt wird. Das praktische Problem liegt jedoch zumeist darin, den PKH Erstreckungsantrag recht zeitig zustellen, denn wenn die Instanz beendet ist, und zwar ganz gleich auf welche Art und Weise, ist eine Erstreckung Antrag ohne weiteres zurückzuweisen, denn eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung ist nicht mehr möglich (Zöller/Philippi, ZPO, 26 Aufl., § 117 Rn. 2b). Gerade im Eifer einer mündlichen Verhandlung wird ein Anwalt nicht immer an den rechtzeitigen Erstreckung Antrag denken. Daher empfiehlt es sich, diesen Antrag rein vorsorglich schon zugleich mit dem eigentlichen PKH Antrag zu stellen. Kommt es später nicht zu einer Erörterung der nicht rechtshängigen Ansprüche und/oder zu einem Mehrvergleich, ist der Antrag unschädlich; andernfalls ist der auf jeden Fall rechtzeitig gestellt und das Gericht muss evtl. nach Abschluss der Instanz nur noch ein seine Bescheidung erinnert werden. Es empfiehlt sich folgende Musterformulierung:

Ich beantrage schon jetzt rein vorsorglich die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu erstrecken auf

  1. die Terminsgebühr sowie,

  2. die Einigungsgebühr und die Differenzverfahrensgebühr.

Für den Fall, dass nicht rechtshängigen Streitgegenstände erörtert und/oder durch Vergleich geregelt werden.

In einem Scheidungsverbundverfahren dürfte sich im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 48 Abs. 3 RVG folgende Einschränkung empfehlen:

Ich beantrage schon jetzt rein vorsorglich die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu erstrecken auf

  1. die Terminsgebühr sowie,

  2. die Einigungsgebühr und die Differenzverfahrensgebühr

Für den Fall, dass nicht rechtshängige Streitgegenstände erörtert und/oder durch Vergleich geregelt werden, so weit Nichterstreckung sich bereits aus § 48 Abs. 3 RVG ergibt.

Quelle: Diplom Rechtspfleger Peter Mock Koblenz - Beitrag vom 09.11.07