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Anforderungen an einen Ausschluss vom Vergabeverfahren

Der EUGH hat erstmals zur Frage entschieden, ob Dienstleistungserbringer, die ihre Verpflichtung zur Zahlung von Sozialbeiträgen oder Steuern nicht erfüllt haben, von einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ausgeschlossen werden können.

Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen für eine nachträgliche Regularisierung festgelegt. Dabei hat er insbesondere Stellung genommen, wann eine mangelnde Erfüllung der o.g. Pflichten vorliegen kann.

Sachverhalt:

Die Unternehmen La Cascina, Zilch und G. f. M antworteten auf eine vom italienischen Verteidigungsministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen im Dezember 2002 veröffentlichte Ausschreibung zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrags über Bewirtschaftungsleistungen für im italienischen Hoheitsgebiet verteilte Einrichtungen und Abteilungen des Verteidigungsministeriums.

2003 schloss der öffentliche Auftraggeber diese Unternehmen vom Verfahren aus, weil La Cascina und G. f. M. hinsichtlich der Zahlung der Sozialbeiträge für ihre Arbeitnehmer und Zilch hinsichtlich ihrer Steuern ihre Verpflichtungen nicht erfüllt hätten.

Die drei Unternehmen fochten diese Entscheidung an. La Cascina und G. f. M. machten geltend, sie hätten ihre Situation bei der Sozialversicherung nachträglich bereinigt. Zilch berief sich auf eine Regularisierung ihrer steuerrechtlichen Situation, weil ihr eine Steueramnestie und eine Steuerentlastung zugute gekommen sei.

In diesem Zusammenhang hat das Tribunale amministrativo regionale del Lazio den Gerichtshof gefragt:
1. Zu welchem Zeitpunkt muss ein Dienstleistungserbringer seine Verpflichtungen hinsichtlich der Sozialbeiträge und Steuern erfüllt haben, um zu einem Verfahren der Vergabe öffentlicher Aufträge zugelassen zu werden?
2. Für welchen Zeitpunkt muss er die Erfüllung dieser Verpflichtungen nachweisen?
3. Ist ein Dienstleistungserbringer, der mit der Zahlung seiner Sozialbeiträge oder seiner Steuern im Verzug ist oder dem von den zuständigen Behörden für diese Beiträge oder Steuern Ratenzahlung eingeräumt worden ist oder der mit einem verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelf das Bestehen oder die Höhe seiner sozialversicherungs- oder steuerrechtlichen Verpflichtungen in Frage stellt, als Dienstleistungserbringer anzusehen, der seine sozialversicherungs- oder steuerrechtlichen Verpflichtungen nach der Richtlinie über öffentliche Dienstleistungsaufträge1 nicht erfüllt hat?


Entscheidung:

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Richtlinie über öffentliche Dienstleistungsaufträge sieben abschließend aufgezählte Gründe für einen Ausschluss von Bewerbern von der Teilnahme am Vergabeverfahren vorsieht, darunter, dass der Betreffende seine Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge oder der Steuern und Abgaben nicht erfüllt hat. Die Beurteilung dieser Ausschlussgründe ist den Mitgliedstaaten überlassen, die jedoch keine weiteren Gründe vorsehen dürfen.

Die Richtlinie enthält keine Definition des Begriffes der mangelnden „Erfüllung ihrer Verpflichtung", für die folglich das nationale Recht zuständig ist. Demgemäß ist es Sache der Mitgliedstaaten, Inhalt und Umfang der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften sowie die Bedingungen ihrer Erfüllung festzulegen.

Das Ende der Frist, innerhalb deren die Betreffenden die Zahlungen geleistet haben müssen, ist daher von den Mitgliedstaaten festzulegen, die dafür einen Zeitpunkt von der Einreichung der Teilnahmeanträge bis zu dem Zeitpunkt wählen können, der der Vergabe des Auftrags vorausgeht. Die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gebieten, dass diese Frist mit absoluter Gewissheit bestimmt und öffentlich bekannt gegeben wird.

Mithin hat ein Bewerber seine Verpflichtungen dann erfüllt, wenn er die seinen Verpflichtungen entsprechenden Zahlungen innerhalb dieser Frist vollständig geleistet hat. Andernfalls muss er innerhalb derselben Frist nachweisen können, dass er Begünstigter von Maßnahmen einer Steueramnestie oder der steuerlichen Milde, wie sie im nationalen Recht vorgesehen sind, oder einer mit der Verwaltung getroffenen Vereinbarung ist oder dass er einen Rechtsbehelf eingelegt hat.

Nationale Rechtsvorschriften, die davon ausgehen, dass ein Bewerber in diesen Fällen seine Verpflichtungen erfüllt hat, sind mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 09.02.06