Sozialrecht -

Berechnung von Krankengeld

Das Bundessozialgericht hat zur Berechnung von Krankengeld entschieden, welche Gehaltsbestandteile zu berücksichtigen sind.

Streitig war die Anrechnung von Einmalzahlungen und die Frage, ob das kalendertägliche Krankengeld auch bei gewährten Einmalzahlungen das kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen darf.

Sachverhalt:

Die beklagte Ersatzkasse gewährte dem bei ihr versicherten Kläger ab 25.12.1999 Krankengeld (Krg). Sie legte der Krg-Berechnung dabei zunächst nur das laufend gewährte Arbeitsentgelt zu Grunde und zahlte Krg in Höhe von 90 v.H. des zuletzt abgerechneten laufenden Nettoarbeitsentgelts (kalendertäglich 80,42 DM). Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, weil bei der Krg-Berechnung auch Einmalzahlungen zu berücksichtigen seien. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz) vom 21.12.2000 (BGBl I 1971) half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab: Sie bezog nunmehr auch die in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gewährten Einmalzahlungen in die Krg-Berechnung ein und zahlte dem Kläger für die Zeit bis zum 31.5.2000 kalendertägliches Krg in Höhe von 89,35 DM. Sie führte aus, auch unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen dürfe das Krg nicht höher sein als das zuletzt laufend gezahlte Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 89,35 DM. Soweit der Kläger darüber hinausgehend Krg in Höhe von täglich 98,69 DM ( § 47 Abs 1 Satz 4 SGB V), dh 90 v.H. des um pauschalierte Netto-Einmalzahlungen erhöhten laufenden Nettoarbeitsentgelts (sog kumuliertes tägliches Nettoarbeitsentgelt), wies die Beklagte seinen Widerspruch zurück. Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Die Vorinstanzen haben darauf hingewiesen, dass das kalendertägliche Krg auch bei gewährten Einmalzahlungen das kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen dürfe. Versicherte sollten nicht an der Arbeitsunfähigkeit "verdienen". Bei Berücksichtigung von Einmalzahlungen erhöhe sich der Zahlbetrag des Krg auf höchstens 89,35 DM

Mit seiner Revision begehrt der Kläger für die Zeit vom 25.12.1999 bis 31.5.2000 die Zahlung von weiteren 9,34 DM je Kalendertag (Differenz zwischen 98,69 DM und 89,35 DM). § 47 Abs 1 Satz 4 SGB V sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass bei erfolgten Einmalzahlungen sowohl bei der Berechnung des Regelentgelts als auch bei der Begrenzung des Krg auf 90 v.H. des kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt mitberücksichtigt werden müsse. Die Beklagte sei nicht berechtigt, das Krg trotz der vom Versicherten bezogenen Einmalzahlungen auf 100 v.H. des nur aus laufendem Arbeitsentgelt berechneten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts - hier auf 89,35 DM - zu begrenzen.

Entscheidung:

Der Senat konnte nicht abschließend über die Sache entscheiden und hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Das dem Kläger zustehende Krankengeld (Krg) ist bereits nach Maßgabe des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes vom 21.12.2000 unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen zu berechnen, obwohl es um Krg-Zeiten vor Erlass dieses Gesetzes geht. Das Gesetz misst sich insoweit Rückwirkung bei. Sicher ist, dass der Kläger wegen der Höhe seines Nettoarbeitsentgelts keinen Anspruch auf Krg in Höhe von 70 vH des kumulierten kalendertäglichen Regelentgelts hat. Ob ihm Krg in Höhe von 90 v.H. des kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts zusteht oder ob sein Krg von der Beklagten zu Recht auf 100 v.H. des zuletzt aus laufendem Arbeitsentgelt erzielten Nettoentgelts begrenzt worden ist, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Entscheidung hierüber hängt von der Zusammensetzung und der Rechtsnatur der dem Kläger gewährten Einmalzahlungen ab. Hierzu bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen des LSG.

Das kumulierte kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt wird durch Addition des tatsächlichen kalendertäglich laufenden Nettoarbeitsentgelts mit den pauschalierten kalendertäglichen Netto-Einmalzahlungen ermittelt. Beim kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt werden die dem Arbeitnehmer gewährten beitragspflichtigen Einmalzahlungen - wenn auch pauschaliert - in ihrer tatsächlichen Relation zum laufenden Arbeitsentgelt berücksichtigt. An dieser tatsächlichen Relation zum laufend gezahlten Arbeitsentgelt fehlt es indessen, wenn das Krg beim Vorhandensein von Einmalzahlungen auf 100 vH des letzten laufenden Nettoarbeitsentgelts begrenzt wird.

Vor dem Hintergrund der beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Einmalzahlungen bedarf es daher nach Auffassung des Senats einer verfassungskonformen Auslegung des § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V. Diese ist in Fällen angezeigt, in denen sich die Einmalzahlungen ganz überwiegend, nämlich zu zwei Dritteln oder mehr, aus Vergütungsbestandteilen zusammensetzen, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Fehltage kürzen oder gänzlich verweigern darf. Die Zahlung von Krg in Höhe von 100 v.H. des zuletzt aus laufend gezahltem Arbeitentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelt genügt in solchen Fällen nicht den Anforderungen des BVerfG an eine grundgesetzkonforme Berücksichtung von Einmalzahlungen. Vielmehr ist dem Versicherten ein Krg in Höhe von 90 vH des kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts zu gewähren.

Die pauschale Erhöhung des Höchstkrankengeldes von 90 auf 100 v.H. des zuletzt gezahlten laufenden Entgelts berücksichtigt die durch beitragspflichtige Einmalzahlungen geprägte wirtschaftliche Situation des Versicherten dagegen dann in einer den Forderungen des BVerfG angemessenen Weise, wenn sich die Einmalzahlungen nicht ganz überwiegend (zu zwei Dritteln oder mehr) aus Vergütungsbestandteilen zusammensetzen, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf Fehltage kürzen oder gänzlich verweigern darf, wenn also die Einmalzahlungen dem Arbeitnehmer jedenfalls zum Teil neben dem Krg verbleiben. - In welchem Umfang der Versicherte kürzbare und welchem Umfang er nicht kürzbare Einmalzahlungen erhalten hat, ist vom LSG nicht festgestellt worden.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 22.02.06