Sozialrecht -

Terminbericht des BSG in Sachen Rentenabschlag bei Erwerbsminderungsrenten

Das BSG hat in drei Revisionen aus dem Bereich der allgemeinen Rentenversicherung entschieden.

Darin begehren die Kläger eine höhere Rente, weil sie die im Jahre 2000 beschlossene Änderung der Rentenberechnung nicht für anwendbar halten, wenn die Rente vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten gezahlt wird.

Die Rechtsstreite betreffen folgende Sachverhalte:

B 5a/5 R 32/07 R - K. ./. DRV Rheinland

Dem im Februar 1952 geborenen Kläger bewilligte die Beklagte auf Grund einer im Februar 2004 eingetretenen Erwerbsminderung ab dem 1.7.2004 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und - auf den Widerspruch des Klägers - ab dem 1.9.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Berechnung beider Renten legte sie eine im Vergleich zum früheren Recht um 40 Monate verlängerte Zurechnungszeit (bis zum 60. Lebensjahr statt bis zum Alter von 56 Jahren und acht Monaten) sowie einen um 0,108 verminderten Zugangsfaktor zu Grunde (für die 36 Monate des Rentenbezugs zwischen dem 60. und 63. Lebensjahr Absenkung um 0,003 pro Monat - also 0,892 statt 1,0). Die daraus errechnete Rente beträgt inzwischen 1177,76 Euro im Monat. Bezogen auf den aktuellen Rentenwert bewirkt die Absenkung des Zugangsfaktors eine Rentenminderung um 142,59 Euro, während die Verlängerung der Zurechnungszeit die Rente um 97,93 Euro erhöht. Die Neuregelung hat demnach insgesamt in der Auslegung durch die Beklagte eine Rentenminderung um (aktuell) 44,66 Euro zur Folge.

Das SG hält die von der Beklagten angewandte Berechnung für zutreffend. Sie stehe mit dem Ziel des Gesetzes, den Gesetzesmaterialien und der Auffassung der gesamten Rentenliteratur in Einklang. Ein verfassungswidriger Eingriff liege nicht vor. Wegen Abweichung von der Rechtsprechung des 4. Senats hat das SG die Sprungrevision zugelassen.

B 5a R 88/07 R - W. ./. DRV Knappschaft-Bahn-See

Der im Juli 1948 geborene Kläger bezieht seit dem 1.11.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Wegen des Rentenbeginns vor dem 1.1.2004 gilt die Neuregelung in leicht modifizierter Form: Bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte eine um 39 Monate verlängerte Zurechnungszeit und einen geminderten Zugangsfaktor von 0,895. Die Rente beträgt aktuell 1116,02 Euro. Dabei bewirkt der Zugangsfaktor eine Minderung um 130,93 Euro und die zusätzliche Zurechnungszeit eine Erhöhung um 93,23 Euro. Die Neuregelung führt also insgesamt zu einer Minderung um 37,70 Euro.

Auch in diesem Fall hat das SG die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung bestätigt. Gesetzeswortlaut, Gesetzessystematik und Gesetzesbegründung sprächen gegen die Argumentation des 4. Senats. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht.

B 5a R 98/07 R - S. ./. DRV Bund

Die Klägerin erhält seit 16.4.2001 Witwenrente aus der Versicherung ihres im September 1946 geborenen und im April 2001 verstorbenen Ehemannes (Versicherter). Wegen des noch weiter vor dem Stichtag des 1.1.2004 liegenden Rentenbeginns sind die Auswirkungen der Neuregelung deutlich geringer als in den ersten beiden Fällen: Die Zurechnungszeit wurde lediglich um fünf Monate verlängert und der Zugangsfaktor nur mit Rücksicht auf vier Kalendermonate auf 0,988 abgesenkt. Die Witwenrente beläuft sich ohne Berücksichtigung des anrechenbaren Hinzuverdienstes inzwischen auf 922,82 Euro. Auf dem Zugangsfaktor beruht eine Rentenminderung um 11,21 Euro, auf der verlängerten Zurechnungszeit eine Erhöhung um 9,91 Euro, sodass die Neuregelung insgesamt eine Minderung um 1,30 Euro bewirkt.

Der Antrag der Klägerin auf Korrektur der bindend festgestellten Rentenhöhe hatte weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren Erfolg. Das SG hat sich die Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger zu eigen gemacht und sich durch die Verlängerung der Zurechnungszeit sowie das Gesetz über die Anpassung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung bestätigt gesehen.

Terminbericht des 5a. Senats des Bundessozialgerichts über die Ergebnisse der Sitzung vom 29.01.2008

In diesen drei Verfahren vermochte sich der Senat der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG nicht anzuschließen. Er hält die von den Rentenversicherungsträgern angewandte Rentenberechnung mit einer Absenkung des Zugangsfaktors auch bei einem Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten für vom Gesetz gedeckt. Dies ergibt sich unter anderem aus dem systematischen Zusammenhang zur gleichzeitig beschlossenen Verlängerung der Zurechnungszeit, wie er insbesondere im bis zum 31.12.2003 geltenden Übergangsrecht zum Ausdruck kommt. Insgesamt sieht der Senat ausreichende Anhaltspunkte für die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, alle Erwerbsminderungsrenten um so mehr zu senken, je näher der Rentenbeginn an das 60. Lebensjahr des Versicherten heranrückt. Durch die weitere Gesetzesänderung zum 1.1.2008 wird diese Auffassung bestätigt. Für die im dritten Verfahren zu beurteilende Witwenrente gilt nichts grundsätzlich anderes. Einen Verfassungsverstoß hat der Senat verneint.

Allerdings hat sich der Senat durch die Rechtsprechung des 4. Senats gehindert gesehen, die vorinstanzlichen Urteile zu bestätigen und die Revisionen der Kläger zurückzuweisen. Zwar ist der 4. Senat für Streitigkeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1.1.2008 nicht mehr zuständig. Die Zuständigkeit ist aber nicht allein auf den 5a. Senat, sondern teilweise auch auf den 13. Senat übergegangen, der sich zu der hier zu entscheidenden Rechtsfrage bisher nicht geäußert hat. Deshalb hat der erkennende Senat beim 13. Senat angefragt, ob dieser an der vom 4. Senat entwickelten Rechtsprechung festhält.

Weitere Informationen zu diesem Thema

Uneinigkeit über den Rentenabschlag bei Erwerbsminderungsrenten

Zahlung von Übergangsgeld für die Zeit eines Anerkennungspraktikums

Zuständigkeit für die stufenweise Wiedereingliederung des Beigeladenen

Quelle: BSG - Terminbericht Nr. 5/08 vom 30.01.08