Sozialrecht -

Umfang der medizinischen Behandlung bei tödlich verlaufenden Erkrankungen

Das Bundessozialgericht will seine restriktive Rechtsprechung hinsichtlich des Umfangs der medizinischen Behandlung bei tödlich verlaufenden Erkrankungen ändern.

Damit wird ein weiterer Schritt in diese Richtung getan. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits am 06. Dezember 2005 beschlossen, dass auch nicht allgemein anerkannte Behandlungen durch die gesetzlichen Krankversicherungen zu bezahlen sind, wenn eine Aussicht auf Heilung besteht.

Nun hat auch der gesetzlich krankenversicherte Patient Anspruch auf die von ihm gewählte Behandlungsmethode, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung für eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung nicht zur Verfügung steht. Voraussetzung ist, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

In dem von der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) mitgeteilten Fall litt der Kläger an einer "Duchenne'schen Muskeldystrophie" (DMD), die erfahrungsgemäß zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr erste Symptome zeigt, zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr zur Gehunfähigkeit und meist vor dem zwanzigsten Lebensjahr zum Tode führt. Die genauen Ursachen dieses Krankheitsverlaufs sind unbekannt. Der Kläger ließ sich von einem Arzt ohne Kassenzulassung u.a. mit homöopathischen Mitteln und hochfrequenten Schwingungen behandeln. Die Krankenkasse wollte dies nicht zahlen und bekam vom Bundessozialgericht zunächst recht. Die Leistungspflicht der Krankenkassen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden scheide solange aus, bis diese vom zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien als zweckmäßig anerkannt seinen.

Nach dem Beschluss aus Karlsruhe hat das BSG nun angekündigt, seine Rechtsprechung zu ändern, so Rechtsanwalt Martin Schafhausen, Mitglied des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im DAV. Wenn es "ernsthafte Hinweise" auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Behandlung gebe, müsse die Krankenkasse künftig zahlen. Diese ernsthafte Hinweise beziehen sich auf eine individuelle Wirksamkeit der Behandlungsmethode im Einzelfall. Diese könnten sich zum Beispiel aus vergleichen mit ähnliche erkrankten Patienten, der fachlichen Einschätzung durch die Ärzte des Erkrankten oder aus der wissenschaftlichen Diskussion ergeben.

Über den konkreten Einzelfall hatten die Beteiligten seit über 13 Jahren gestritten. Da jetzt neue schwierige Fragen über die Behandlungsmöglichkeiten, die in den 90er Jahren möglicherweise bestanden haben zu klären wären, haben sich der Kläger und die Krankenkasse in einem Vergleich geeinigt.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 27.03.06