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Einkommensteuerliche Behandlung von Vertragsstrafe aus Ausbildungsverhältnis

Führt die Zahlung einer in einem Ausbildungsverhältnis begründeten Vertragsstrafe zu Erwerbsaufwendungen in Form von Werbungskosten oder Betriebsausgaben?

§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert Werbungskosten als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Rechtsprechung hat den Werbungskostenbegriff dem Begriff der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG angeglichen. Werbungskosten wie Betriebsausgaben liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.

In dem Verfahren vor dem BFH ging es darum, dass sich der Kläger gegenüber dem Freistaat Bayern vertraglich verpflichtet hatte, sich zum Amtsarzt ausbilden zu lassen und nach Abschluss der Ausbildung mindestens 10 Jahre als vollbeschäftigter Arzt tätig zu sein. Bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst war eine Vertragsstrafe zu zahlen.
Der Kläger schied vor Ablauf der Verpflichtungszeit aus dem öffentlichen Dienst aus und machte sich als Chirurg selbständig. Die fällige Vertragstrafe setzte er als Werbungskosten an.

Das Finanzamt berücksichtigte die als Werbungskosten geltend gemachten Vertragsstrafenzahlung im streitigen Einkommensteuerbescheid nicht. Das Einspruchsverfahren hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzamt danach Ausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG ansetzte.

Anders der BFH; er sah die Zahlungen des Klägers zur Erfüllung der Vertragsstrafe als Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG oder als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG an. Dabei ließ er es dahinstehen, ob die Zahlungen im Sinne eines wirtschaftlich vorrangigen Veranlassungszusammenhangs einen engeren Bezug zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus selbständiger Arbeit hatten. Denn wenn die Zahlungen - so der BFH - wirtschaftlich vorrangig nicht durch die vom Kläger angestrebte Tätigkeit als selbständiger Chirurg, sondern vielmehr dadurch veranlasst gewesen sein sollten, dass er seine nichtselbständige Tätigkeit als Arzt im öffentlichen Gesundheitsdienst vertragswidrig nicht fortgeführt hatte, seien diese Zahlungen als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen.

Die einkünftemindernde Berücksichtigung dieser Zahlungen als nachträgliche Werbungskosten scheitere insbesondere nicht daran, dass sie in Zusammenhang mit der Ausbildung des Klägers zum Arzt standen. Denn wenn Aufwendungen einen erwerbsbezogenen Veranlassungszusammenhang aufweisen würden, komme es nicht mehr darauf an, ob diese Aufwendungen durch einen schon ausgeübten Beruf oder durch einen erstmals angestrebten neuen Beruf veranlasst worden seien. Insbesondere entfalte der Sonderausgabentatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung dahin gehend, dass der Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 EStG bei einer erstmaligen Berufsausbildung stets ausgeschlossen werde. Denn nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG seien Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann als beschränkt abziehbare Sonderausgaben zu behandeln, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind".

Fazit: Die Zahlung einer in einem Ausbildungsverhältnis begründeten Vertragsstrafe kann zu Erwerbsaufwendungen in Form von Werbungskosten oder Betriebsausgaben führen.

BFH, Urt. v. 22.06.2006, VI R 5/03

Quelle: BFH - Urteil vom 27.02.08