RG - Urteil vom 15.03.1937
2 D 126/37
Normen:
StGB § 177 Abs. 1, § 178 Abs. 1, § 240 Abs. 1 ;
Fundstellen:
RGSt 71, 109
Vorinstanzen:
LG Naumburg,

RG - Urteil vom 15.03.1937 (2 D 126/37) - DRsp Nr. 1996/20663

RG, Urteil vom 15.03.1937 - Aktenzeichen 2 D 126/37

DRsp Nr. 1996/20663

1. Die Anschauung des Volkes wehrt sich mit Entschiedenheit gegen die Auffassung, daß der Ehemann in geschlechtlicher Hinsicht mit seiner Frau nach Willkür verfährt und sich mit Gewalt den Beischlaf mit ihr verschafft. Sie empfindet aber einen Beischlaf unter Eheleuten, auch wenn er erzwungen ist, nicht als "Unzucht", sondern vielmehr als strafbare Beeinflussung des Willens der Ehefrau. 2. Eine Handlung, die der Täter an seiner eigenen Ehefrau vornimmt, kann aber dann gegen den § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB [a.F.] verstoßen, wenn sie über den Beischlaf hinausgeht und nach der gesunden Volksanschauung des Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzt.

Normenkette:

StGB § 177 Abs. 1, § 178 Abs. 1, § 240 Abs. 1 ;

Gründe:

Der Angeklagte beantragte im August 1936 amtsgerichtlichen Sühnetermin um die Ehescheidungsklage erheben zu können. "Zur gleichen Zeit" erzwang er noch wiederholt von seiner Ehefrau mit Gewalt die Duldung des Beischlafs; verschiedentlich mißhandelte er sie auch und beleidigte sie wörtlich und tätlich.

Das Landgericht hat den Angeklagten, weil er mit seiner Ehefrau fortgesetzt unzüchtige Handlungen vorgenommen habe, wegen Verbrechens gegen den § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB, begangen in Tateinheit mit Nötigung sowie in Tateinheit mit Körperverletzung, teilweise auch in Tateinheit mit Beleidigung, verurteilt.