BVerfG - Beschluss vom 23.03.2016
1 BvR 184/13
Normen:
GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; FamFG § 278 Abs. 1;
Fundstellen:
DÖV 2016, 656
FamRB 2016, 315
FamRZ 2016, 1041
FuR 2016, 589
NJW 2016, 2559
NVwZ 2016, 6
NZS 2016, 5
wistra 2016, 3
Vorinstanzen:
LG Hamburg, vom 03.05.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 301 T 37/12
AG Hamburg-St. Georg, vom 30.08.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 992 XVII J 3671

Anhörung des Betroffenen vor der Verlängerung einer Betreuung; Beeinträchtigung des Rechts auf freie und selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit eines Betroffenen

BVerfG, Beschluss vom 23.03.2016 - Aktenzeichen 1 BvR 184/13

DRsp Nr. 2016/8366

Anhörung des Betroffenen vor der Verlängerung einer Betreuung; Beeinträchtigung des Rechts auf freie und selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit eines Betroffenen

1. In einem Betreuungsverfahren kommt der Möglichkeit, auf die Sachverhaltsermittlung und Entscheidungsfindung des zuständigen Betreuungsgerichts in Anhörungen und Stellungnahmen einwirken zu können, besondere Bedeutung zu.2. Im Hinblick auf die mit einer Betreuung ggfs. verbundenen tiefen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist eine persönliche Anhörung der Betreffenden grundsätzlich unverzichtbar. Entsprechend hat der Gesetzgeber grundsätzlich die persönliche Anhörung vor einer Entscheidung über die Betreuung oder über die Verlängerung der Betreuung als zwingend und nicht verzichtbar ausgestaltet. Die persönliche Anhörung darf nur im Eilfall bei Gefahr im Verzug vorläufig unterbleiben, ist dann aber unverzüglich nachzuholen.3. In der Anordnung einer Betreuung ohne diese Anhörung liegt nicht nur eine Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Durch eine spätere Anhörung kommt eine Heilung nicht rückwirkend, sondern nur in Blick auf die Zukunft in Betracht.

Tenor

1. 2. 3. 4. 5.