BVerfG - Beschluß vom 29.11.1993
1 BvR 1045/93
Normen:
BGB § 1671 Abs. 5 Satz 1 ; FGG § 50a ; GG Art. 6 Abs. 2 Satz. 1 Art. 19 Abs. 4 Art. 103 Abs. 1 ;
Fundstellen:
DAVorm 1994, 512
DRsp IV(418)294a-d
EzFamR aktuell 1994, 52
EzFamR BGB § 1671 Nr. 9
FamRZ 1994, 223
FuR 1994, 50
NJW 1994, 1208
Vorinstanzen:
AG Zweibrücken, vom 29.04.1993 - Vorinstanzaktenzeichen F 97/93
II. OLG Zweibrücken- Beschluß vom 26.05.1993 - 6 WF 79/93,

Effektiver Grundrechtsschutz im gerichtlichen Verfahren auch für vorläufige Maßnahmen - Entzug des Rechts der elterlichen Sorge

BVerfG, Beschluß vom 29.11.1993 - Aktenzeichen 1 BvR 1045/93

DRsp Nr. 1994/2411

Effektiver Grundrechtsschutz im gerichtlichen Verfahren auch für vorläufige Maßnahmen - Entzug des Rechts der elterlichen Sorge

1. Das Verfahrensrecht und seine Handhabung in einem Verfahren betreffend die elterliche Sorge werden durch die grundrechtliche Gewährleistung des Elternrechts und durch die Verpflichtung des Staates, über dessen Ausübung im Interesse des Kindeswohls zu wachen, mitbestimmt.2. Enthält eine gerichtliche Entscheidung keine Ausführungen darüber, daß Gefahren, die dem Kind bei einem Verbleib bei seinem Vater drohen, nicht durch mildere Mittel als den vorläufigen Entzug des gesamten Sorgerechts abgewendet werden können, so wurde die Bedeutung des Elternrechtes nicht zutreffend erkannt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend beachtet. Die Bedeutung des Elternrechtes und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind insbesondere dann zu beachten, wenn im Raume steht, die elterliche Sorge auf eine dritte Person ( im konkreten Fall: die Großmutter ) zu übertragen.3. Aufgrund von Art. 6 Abs. 2 GG ist das Gericht bei Fehlen einer besonderen Dringlichkeit gehalten, bereits vor Erlaß einer einstweiligen Anordnung den Sachverhalt so weit wie möglich aufzuklären und zu prüfen, ob tatsächlich eine Gefahr für das Kindeswohl vorliegt, die einen Wechsel des Personensorgerechtes rechtfertigt.