OLG Braunschweig - Beschluss vom 22.12.2022
2 UF 122/22
Normen:
BGB § 1666; BGB § 1666a;
Fundstellen:
FamRZ 2023, 533
MDR 2023, 441
WKRS 2022, 59342
Vorinstanzen:
AG Northeim, vom 30.05.2022

Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ein schwerbehindertes Kind zum Zwecke der frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass

OLG Braunschweig, Beschluss vom 22.12.2022 - Aktenzeichen 2 UF 122/22

DRsp Nr. 2023/4666

Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ein schwerbehindertes Kind zum Zwecke der frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass

1. Die Möglichkeit eines zukünftigen Ausfalls eines allein betreuenden Elternteils eines schwer behinderten Kindes stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Die vorbeugende Fremdunterbringung zum Zwecke einer für das Kind vorteilhaften frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertigt nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge. 2. Das Ausbleiben einer bestmöglichen Förderung eines Kindes durch den sorgeberechtigten Elternteil stellt keine Kindeswohlgefährdung dar. Soweit die grundlegenden, unverzichtbaren Lebensbedürfnisse des beteiligten Kindes sichergestellt sind, liegt es allein in der Verantwortung der sorgeberechtigten Eltern, inwieweit sie ihr Kind fördern. 3. Die Belastung des Umfelds eines umfänglich pflegebedürftigen behinderten Kindes, namentlich durch Störungen der Mitschüler, durch Beanspruchung von Pflegern und Betreuern und auch die praktische Erschwernis, dass mit dem alleinerziehenden Elternteil nur mittels Dolmetscher kommuniziert werden kann, stellen keine Gefährdung des Kindeswohls dar und rechtfertigen auch in der Summe nicht den Entzug von Teilen des Sorgerechts.