BVerfG - Beschluss vom 26.07.2016
1 BvL 8/15
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 100 Abs. 1; BGB § 1896 Abs. 1; BGB § 1901; GG § 1906 Abs. 1; GG § 1906 Abs. 3;
Fundstellen:
BVerfGE 2017, 313
DÖV 2016, 958
FamRB 2016, 398
FamRZ 2016, 1738
FuR 2016, 712
NJW 2017, 53
NZS 2016, 5
NZS 2016, 784
Vorinstanzen:
BGH, vom 01.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen XII ZB 89/15

Schutzpflicht des Staates zur Durchführung einer ärztlichen Behandlung gegen den natürlichen Willen eines nicht einsichtsfähigen Betreuten bei drohenden erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen; Zulässigkeit medizinischer Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht; Kontrolle konkreter gesetzgeberischer Entscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG); Bestehen eines gewichtigen objektiven Bedürfnisses an der Klärung einer durch eine Vorlage aufgeworfenen Verfassungsrechtsfrage; Zulässigkeit der Vorlage trotz Erledigung des Ausgangsverfahrens durch den Tod eines Hauptbeteiligten

BVerfG, Beschluss vom 26.07.2016 - Aktenzeichen 1 BvL 8/15

DRsp Nr. 2016/14613

Schutzpflicht des Staates zur Durchführung einer ärztlichen Behandlung gegen den natürlichen Willen eines nicht einsichtsfähigen Betreuten bei drohenden erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen; Zulässigkeit medizinischer Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht; Kontrolle konkreter gesetzgeberischer Entscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG); Bestehen eines gewichtigen objektiven Bedürfnisses an der Klärung einer durch eine Vorlage aufgeworfenen Verfassungsrechtsfrage; Zulässigkeit der Vorlage trotz Erledigung des Ausgangsverfahrens durch den Tod eines Hauptbeteiligten

1. Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt die Schutzpflicht des Staates, für nicht einsichtsfähige Betreute bei drohenden erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter strengen Voraussetzungen eine ärztliche Behandlung als letztes Mittel auch gegen ihren natürlichen Willen vorzusehen.2. a) Im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG kann Vorlagegegenstand auch eine Norm sein, bei der das Gericht eine Ausgestaltung vermisst, die nach dessen plausibel begründeter Überzeugung durch eine konkrete verfassungsrechtliche Schutzpflicht geboten ist.b) Besteht ein gewichtiges objektives Bedürfnis an der Klärung einer durch eine Vorlage aufgeworfenen Verfassungsrechtsfrage, kann die Vorlage trotz Erledigung des Ausgangsverfahrens durch den Tod eines Hauptbeteiligten zulässig bleiben.