4.1 Sinn und Zweck des Trennungsjahres

Autor: Mainz-Kwasniok

Unwiderlegbare Vermutung

Das Scheitern der Ehe wird bei der einverständlichen Scheidung nach § 1566 Abs. 1 BGB durch das einjährige Getrenntleben unwiderlegbar vermutet. Ist diese "Mindestwartezeit" nicht eingehalten, wird der Scheidungsantrag i.d.R. als unbegründet abgewiesen.

Das Trennungsjahr hat auch eine Schutzfunktion. Es soll die Eheleute in erster Linie vor einem übereilten Entschluss schützen und die Versöhnung ermöglichen, bevor die Lebensumstände endgültig in andere Bahnen gelenkt werden.

Erwerbsobliegenheit

Auswirkungen hat dies insbesondere auf die Erwerbsobliegenheit. Überwiegend wird in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte im ersten Trennungsjahr eine Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht erwartet, auch dann nicht, wenn keine Kinder vorhanden sind (vgl. Nr. 17 der Leitlinien der Oberlandesgerichte). Die bisherigen Verhältnisse sollen grundsätzlich so lange fortgelten, bis endgültig feststeht, ob die Ehe wirklich gescheitert ist. Bis dahin soll sich der bisher nicht erwerbstätige Ehegatte unterhaltsrechtlich nicht schlechter stehen als bisher. Mit zunehmender Verfestigung der Trennung nähern sich die Voraussetzungen für eine Erwerbsobliegenheit, insbesondere wenn die Scheidung nur noch eine Frage der Zeit ist, immer mehr den Maßstäben des nachehelichen Unterhalts an (BGH, FamRZ 2001, 350; Dose, FamRZ 2007, 1289).