LAG Niedersachsen - Urteil vom 12.12.2003
10 Sa 247/03
Normen:
GG Art. 6 ; KSchG § 1 Abs. 3 ; BetrVG § 75 Abs. 1 § 95 Abs. 1 § 102 ; ArbGG § 66 § 67 ;
Fundstellen:
NZA-RR 2005, 524
Vorinstanzen:
ArbG Hannover, vom 02.12.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 5 Ca 206/02

Verfassungswidrige Nichtbeachtung im Ausland zu erfüllender Unterhaltspflichten in Auswahlrichtlinien - Zurückweisung verspäteten Vorbringens

LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.12.2003 - Aktenzeichen 10 Sa 247/03

DRsp Nr. 2005/8168

Verfassungswidrige Nichtbeachtung im Ausland zu erfüllender Unterhaltspflichten in Auswahlrichtlinien - Zurückweisung verspäteten Vorbringens

»1. Die Nichtbeachtung von im Ausland zu erfüllenden Unterhaltspflichten in einer Auswahlrichtlinie gemäß § 95 Abs. 1 BetrVG widerspricht der Wertentscheidung des Art. 6 GG, die bei der Konkretisierung des in § 75 Abs. 1 BetrVG normierten Gebots zur Wahrung der Grundsätze von Recht und Billigkeit von den Arbeitsgerichten zu beachten ist. Dabei ist der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG nicht auf rein inlandsbezogene Ehen und Familien beschränkt. Er umfasst vielmehr eheliche und familiäre Lebensgemeinschaften unabhängig davon, wo und nach Maßgabe welcher Rechtsordnung sie begründet worden und ob die Rechtswirkung des ehelichen oder familiären Bandes nach deutschem oder ausländischem Recht zu beurteilen sind, solange es sich um Lebensgemeinschaften handelt, die der Vorstellung des Grundgesetzes von Ehe und Familie nicht grundlegend fremd sind wie die Mehrehe. Missbrauchsmöglichkeiten lässt sich durch die Pflicht zum Nachweis des Bestehens und der Erfüllung ausländischer Unterhaltsverpflichtungen begegnen. Dabei können je nach der Eilbedürftigkeit des Kündigungsausspruches auch kurze Fristen gesetzt werden.