BVerfG - Beschluss vom 01.12.2010
1 BvR 1572/10
Normen:
BVerfGG § 93a Abs. 2 Buchst. b; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; BGB § 1666 Abs. 1; BGB § 1666 Abs. 3 Nr. 6;
Fundstellen:
FamRB 2011, 139
FamRZ 2011, 179
FamRZ 2011, 452
Vorinstanzen:
OLG Frankfurt am Main, vom 06.05.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 3 UF 350/08

Verletzung des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit eines Beschwerdeführers durch Auferlegung der Fortsetzung einer Psychotherapie bis zu einem durch ein Gericht bestimmten Zeitpunkt i.R.e. Umgangsregelung; Entziehung des Sorgerechts bei Fortbestehen einer Kindeswohlgefährdung als ultima ratio

BVerfG, Beschluss vom 01.12.2010 - Aktenzeichen 1 BvR 1572/10

DRsp Nr. 2011/843

Verletzung des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit eines Beschwerdeführers durch Auferlegung der Fortsetzung einer Psychotherapie bis zu einem durch ein Gericht bestimmten Zeitpunkt i.R.e. Umgangsregelung; Entziehung des Sorgerechts bei Fortbestehen einer Kindeswohlgefährdung als ultima ratio

Für eine verbindliche gerichtliche Auflage gegenüber einem Elternteil, eine Psychotherapie durchzuführen beziehungsweise fortzusetzen, bietet die Vorschrift des § 1666 Abs. 1 und 3 BGB keine ausreichende gesetzliche Grundlage; sie ist wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unzulässig. Das Gericht darf dem betroffenen Elternteil die Aufnahme oder Weiterführung einer psychotherapeutischen Behandlung lediglich anraten, wenn dadurch eine Verbesserung seiner Erziehungsfähigkeit erreicht werden könnte.

Tenor

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Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2010 - 3 UF 350/08 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit ihr auferlegt wird, die bereits begonnene Psychotherapie bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt - in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten - als erforderlich ansieht.

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