6. Problemkreis Interessenkollision: Wenn beide im Wartezimmer sitzen

Autor: Mainz-Kwasniok

Beratung durch gemeinsamen Anwalt

Viele Ehegatten haben nach der Trennung den Wunsch, eine friedliche Lösung zu finden. Sie befürchten, dass die beiderseitige anwaltliche Beratung oder Vertretung einen Konflikt erzeugt oder aufputscht. Eine Lösung sehen sie im gemeinsamen Anwaltsbesuch. "Wir wollen uns nicht streiten", ist häufig der Auftakt der gemeinsamen Kontaktaufnahme zum Anwalt. Dem liegt die laienhafte Vorstellung zugrunde, es gebe auf alle familienrechtlichen Fragen jeweils eine eindeutige Antwort, die sich womöglich unmittelbar aus dem Gesetz (oder Tabellen) ergebe - und es bedürfe des Anwalts nur im Sinne einer Auskunft darüber, was im Gesetz geregelt sei. Der Laie denkt, der Anwalt könnte nach Abwägung der beiderseitigen Argumente den einen richtigen Rechtsrat geben. Wenn er das täte, wäre er aber nicht Anwalt, sondern Entscheider, also Schiedsrichter. Das widerspricht dem Berufsbild des Anwalts. Anwälte sind Parteivertreter.

Ihre Aufgabe besteht darin, den Mandanten so zu beraten, dass er das für sich wirtschaftlich günstigste Ergebnis erzielen könnte. Ob der Mandant das dann durchsetzen möchte oder ob er Argumente seines Gegners vorwegnimmt, berücksichtigt und ihm entgegenkommt, entscheidet der Mandant, nicht der Anwalt.

Weil das so ist, ist eine gemeinsame Beratung von Ehegatten in einer Interessenkollision nicht nur unbrauchbar, sondern aus gutem Grund verboten.