I. Das Landgericht hat die Beklagten, eine GmbH & Co. KG und deren persönlich haftende Gesellschafterin, durch Teilurteil verurteilt, dem Kläger, der - einziges - Mitglied des Beirats der Kommanditgesellschaft ist, den testierten Jahresabschluß zum 31. Dezember 1991 nebst Erläuterungen zu übersenden und ihm durch Vorlage bestimmter näher bezeichneter Geschäftsunterlagen Auskunft zu erteilen. Den Streitwert für den durch das Teilurteil erledigten Teil des Streitgegenstandes hat das Landgericht auf 100.000 DM festgesetzt. Die Beklagten haben gegen das Teilurteil Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verworfen, weil die bei Einlegung der Berufung maßgebliche Berufungssumme von 1.200 DM nicht erreicht sei. Es hat dazu ausgeführt, die Beschwer der Beklagten habe sich an den Nachteilen zu orientieren, die für die Beklagten mit der Übersendung des Geschäftsabschlusses und der Erteilung der Auskunft verbunden seien. Den Beklagten entstünden keine weitergehenden Nachteile als die mit der Übersendung und der Erteilung der Auskunft verbundenen Kosten. Dieser Aufwand sei nicht höher als mit 500 DM zu veranschlagen.
Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde möchte der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes stattgeben. Er sieht sich daran gehindert durch die ständige Rechtsprechung mehrerer Zivilsenate des Bundesgerichtshofes, der das Berufungsgericht gefolgt ist. Da diese Zivilsenate an ihrer Auffassung festhalten, hat der II. Zivilsenat die Sache dem Großen Senat für Zivilsachen zur Entscheidung folgender Rechtsfragen vorgelegt (Vorlagebeschluß vom 11. Juli 1994 -
1. Bemißt sich im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft, zur Rechnungslegung, zur Einsichtgewährung in bestimmte Unterlagen, zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder dergleichen der Wert des Beschwerdegegenstands (§
2. Falls die Frage zu 1 zu bejahen ist: Darf in einem solchen Fall der Wert des Beschwerdegegenstands das Interesse des Beklagten an der Vermeidung einer ihm nachteiligen Kostenentscheidung nicht unterschreiten?
3. Sind Streitwert und Wert der Beschwer bei unverändertem Streitgegenstand
a) entsprechend den jeweiligen subjektiven Interessen des Klägers oder Rechtsmittelführers und damit gegebenenfalls für die einzelnen Instanzen unterschiedlich oder
b) unter Berücksichtigung der Bedeutung der Streitsache für beide Parteien für alle Rechtszüge einheitlich zu bemessen?
II. 1. Die erste und zweite Vorlagefrage sind zulässig. Der II. Zivilsenat führt aus, er messe beiden Vorlagefragen grundsätzliche Bedeutung bei und möchte deshalb gemäß § 132 Abs. 4 GVG die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen herbeiführen. Indessen ist die Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG (Divergenzvorlage) vorgreiflich, wenn - wie hier - der vorlegende Senat von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweichen will (vgl. Kissel, GVG 2. Aufl. §
2. Der Große Senat bejaht die erste Vorlagefrage.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hängt der Wert des Beschwerdegegenstandes vornehmlich davon ab, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert. Daneben kann ein Interesse des Beklagten an einer Geheimhaltung der zu offenbarenden Verhältnisse bei der Bemessung des Wertes zu berücksichtigen sein. Dagegen bleibt ein Interesse des Beklagten, die vom Kläger erstrebte und mit der Auskunftsklage vorbereitete Durchsetzung des Leistungsanspruchs zu verhindern oder zu erschweren, bei der Bewertung außer Betracht (Urteil vom 20. Juni 1991 - I ZR 13/90 - BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 17; Beschluß vom 10. Juni 1991 - II ZR 66/91 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 11; Urteil vom 14. Juni 1993 - III ZR 48/92 - BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 21; Urteil vom 11. Dezember 1991 - IV ZR 49/91 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 16; Urteil vom 10. Februar 1994 - VII ZR 77/93 - BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 24; Urteil vom 27. November 1991 - VIII ZR 37/91 - BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 19 und § 3 Rechtsmittelinteresse 13; Beschluß vom 8. Oktober 1991 - XI ZB 5/91 - BGHR ZPO § 2 Beschwerdegegenstand 20; Beschluß vom 24. März 1993 - XII ZB 6/93 - BGHR ZPO § 3 - Rechtsmittelinteresse 21 und die im Vorlagebeschluß aaO. angeführten weiteren Nachweise; a.A. Kammergericht NJW-RR 1988, 1214 f., OLG Saarbrücken JB 1985, 1238; zum Schrifttum vgl. die Hinweise im Vorlagebeschluß aaO.).
Der vorlegende Senat ist der Auffassung, das Interesse des Beklagten, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, sei nicht geringer zu bewerten als das Interesse des Klägers, die Auskunft zu erhalten. Ausgangspunkt und Kern der dieser Auffassung zugrundeliegenden Erwägungen ist, daß auch für den Beklagten das Interesse im Vordergrund stehe, dem Kläger für die Auskunftserteilung die Rechtsverfolgung des Hauptanspruchs nicht zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen. Da die Auskunft keinen Selbstzweck, sondern im Hinblick auf die Hauptleistung nur dienende Funktion habe, korrespondierten die beiderseitigen Interessen bei der Auskunftsklage wie bei der späteren Klage auf die Hauptleistung. Genau entsprechend der Strecke, um die der Kläger auf seinem Weg zur Verwirklichung des angestrebten Ziels mit Hilfe der Auskunft vorankomme, werde objektiv die Wahrscheinlichkeit, daß der Beklagte die Hauptleistung erbringen müsse, erhöht und damit dessen Position geschwächt.
b) Für die bisherige ständige Rechtsprechung sprechen gewichtige Gründe.
Den Wert des Beschwerdegegenstandes, §
Der Anspruch auf Auskunft bezieht seinen wirtschaftlichen Wert typischerweise daraus, daß mit ihm die Durchsetzung eines Hauptanspruchs vorbereitet werden soll (vgl. Lappe aaO. § 3 Rdn. 51). Der wirtschaftliche Zweck des Auskunftsverlangens besteht im allgemeinen darin, eine der Grundlagen zu schaffen, die für den Anspruch auf die Hauptleistung erforderlich sind. Diese enge Verknüpfung zwischen Auskunfts- und Hauptanspruch läßt es angebracht erscheinen, den Wert des Auskunftsanspruchs mit einem Bruchteil des Hauptanspruchs festzusetzen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 31. März 1993 - XII ZR 67/92 - FamRZ 1993, 1189 m.w.N.). Damit orientiert sich die Wertfestsetzung am unmittelbaren Gegenstand der Auskunftsklage, nicht an anderen, über diesen Gegenstand hinausgehenden Interessen.
Demgegenüber ist Gegenstand des Rechtsmittels des im Auskunftsverfahren unterlegenen Beklagten das Ziel, keine Auskunft erteilen zu müssen. Hat sein dahin gehender Antrag Erfolg, erspart er die Kosten, die mit dem Aufwand der Auskunftserteilung verbunden sind. Diese Kostenersparnis ist grundsätzlich maßgebend für die Festsetzung des Beschwerdewertes. Das etwa daneben bestehende Interesse des Beklagten, die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern, geht über den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung hinaus. Es hat deshalb bei der Festsetzung des Beschwerdewertes außer Betracht zu bleiben.
c) Das Ergebnis eines verschieden hohen Beschwerdewertes bei Kläger und Beklagtem verletzt nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit (vgl. BVerfGE 65,
d) Mit Beschluß vom 4. Oktober 1982 (BGHZ 85, 64, 66) hat der Große Senat für Zivilsachen entschieden, daß bei einer im Laufe der Zeit gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung die Rechtswerte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in den Vordergrund treten und im allgemeinen ein Festhalten an der einmal eingeschlagenen Rechtsentwicklung verlangen. Ein Abgehen von der Kontinuität der Rechtsprechung könne nur ausnahmsweise hingenommen werden, wenn deutlich überwiegende oder sogar schlechthin zwingende Gründe dafür sprächen.
Eine solche gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung liegt hier vor. Das hat der vorlegende Senat auch dargelegt. Den Gründen, die gegen die gefestigte Rechtsprechung angeführt werden können, kommt auch in ihrer Gesamtheit jedenfalls kein solches Gewicht zu, daß sie eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung rechtfertigen.
e) An der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, ist auch im Ergebnis sachgerecht. Das Bedürfnis, dem zur Auskunft verurteilten Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, den Rechtsstreit über zwei oder drei Instanzen zu führen, ist gemindert angesichts des Umstandes, daß er die Möglichkeit behält, über die Frage, ob er zur Hauptleistung verpflichtet ist, das anschließende Verfahren zur Hauptsache mit zwei oder gegebenenfalls drei Instanzen durchzuführen. Auf der anderen Seite bedeutet die Durchführung des Auskunftsprozesses über zwei oder drei Instanzen jedenfalls in der Regel eine Verzögerung für die Entscheidung der Hauptsache.
Sollte der Beklagte im Einzelfall ein Interesse an der Geheimhaltung haben, das über sein Interesse hinausgeht, durch Nichterteilung der Auskunft die Durchsetzung des möglicherweise bestehenden Hauptanspruchs zu erschweren oder zu verzögern, so kann und muß dem dadurch Rechnung getragen werden, daß dieses Geheimhaltungsbedürfnis zusätzlich bewertet wird. Das ist schon bisher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt (vgl. Beschluß vom 3. Februar 1988 - IVb ZB 205/87 - NJW-RR 1988, 693; Urteil vom 30. November 1983 - VIII ZR 243/82 - WM 1984, 180).
3. Die zweite Vorlagefrage verneint der Große Senat. Bei der Bemessung des Beschwerdewertes in Verfahren zur Erteilung der Auskunft, zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder dergleichen bleibt das Interesse des Beklagten an der Vermeidung einer für ihn nachteiligen Kostenentscheidung außer Betracht.
a) Mit Beschluß vom 10. März 1994 (
b) Der vorlegende Senat stimmt der Auffassung des IX. Zivilsenats nicht zu. Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Auffassung des XI. Zivilsenats, der mit Beschluß vom 23. Januar 1990 (XI ZB 6/89 - unveröffentlicht) bei einer Auskunftsklage entschieden hat, die Kosten des Rechtsstreits müßten bei der Bemessung des Beschwerdewertes unberücksichtigt bleiben.
Dem tritt der Große Senat bei. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, von dem allein und gerade bei Auskunftsklagen abzuweichen keine Veranlassung besteht, daß Kosten des laufenden Prozesses bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen sind, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. auch § 4 ZPO).
III. Zur ersten Vorlagefrage ist ausgeführt, für die Bemessung des Beschwerdewertes sei das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers maßgebend (unter II 2 b). Damit ist die dritte Vorlagefrage teilweise mitbeantwortet. Soweit sie darüber hinausgeht, ist sie schon deshalb unzulässig, weil diese Rechtsfrage insoweit für die Entscheidung des vorlegenden Senats nicht erheblich ist (vgl. Kissel aaO., § 138 Rdn. 3).
Die gegen diesen Beschluß eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluß der 1. Kammer des 1. Senates des BVerfG vom 21.3.1995 - 1 BvR 521/95 - nicht zur Entscheidung angenommen.
Anm. von Roth in JZ 1995, 681.
Vgl. auch die Besprechung von Pape in WiB 1995, 180