I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verurteilung zur Rückführung eines Kindes in die USA aufgrund des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (BGBl II 1990 S. 206; HKiEntfÜ).
Die Beschwerdeführerin zu 1. und ihr Ehemann wohnten ursprünglich mit dem gemeinsamen, im Jahre 1989 geborenen Sohn - dem Beschwerdeführer zu 2. - in den USA. Die Ehe wurde im Jahre 1994 durch Urteil eines Distriktgerichts des Staates Utah geschieden. Der Beschwerdeführerin zu 1. wurde das Sorgerecht über den Beschwerdeführer zu 2. zugesprochen. Der Kindesvater erhielt u. a. das Recht auf häufigen, fortwährenden und sinnvollen Kontakt mit dem Kind, auf Teilhabe an den schulischen, sozialen, sportlichen und gesellschaftlichen Kontakten, auf umfangreiche Informationen sowie auf Mitsprache bei der Bestimmung des Aufenthaltslandes des Kindes. Der Beschwerdeführerin zu 1. wurde erlaubt, das Kind im Sommer besuchsweise mit nach Deutschland zu nehmen. Im Falle eines Umzugs hatten die Eltern einander innerhalb bestimmter Fristen zu benachrichtigen.
Im Dezember 1994 reisten die Beschwerdeführer nach Deutschland aus und blieben dort. Eine fristgerechte Benachrichtigung des Kindesvaters unterblieb, da die Beschwerdeführerin zu 1. fürchtete, er würde sonst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes versuchen, die Ausreise zu stoppen.
Durch Beschluß eines Distriktgerichts des Staates Utah vom 2. August 1995 wurde dem Kindesvater das alleinige Sorgerecht über den Beschwerdeführer zu 2. zugesprochen. Mit Beschluß desselben Gerichts vom 1. Dezember 1995 wurde festgestellt, daß der Kindesvater in Anbetracht seiner umfangreichen Rechte bereits zur Zeit der Ausreise des Kindes ein Sorgerecht im Sinne der Art. 3 und 5 HKiEntfÜ innehatte.
Auf Antrag des Kindesvaters verfügte das Amtsgericht Viechtach mit Beschluß vom 10. Januar 1996 die Rücküberstellung des Kindes. Zur Begründung führte das Gericht an, die Widerrechtlichkeit der Verbringung nach Deutschland im Sinne von Art. 3 HKiEntfÜ ergebe sich aus den Ausführungen des Distriktgerichts im Beschluß vom 1. Dezember 1995. Zudem sei dieser Beschluß im Sinne von Art. 15 HKiEntfÜ bindend. Ein Ablehnungsgrund im Sinne von Art. 13 HKiEntfÜ liege nicht vor.
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde vor dem Oberlandesgericht München blieb erfolglos. Das Gericht führte aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Entscheidung des Distriktgerichts bindend im Sinne von Art. 15 HKiEntfÜ sei. Jedenfalls sei sie nach Art. 14 HKiEntfÜ unmittelbar zu berücksichtigen. Auch Art. 13 Abs. 1 lit. b HKiEntfÜ stehe der Rückführung nicht entgegen. Die Vorschrift sei eng auszulegen und dürfe die Sorgerechtsentscheidung nicht vorwegnehmen. Der gute Kontakt des Kindesvaters mit dem Beschwerdeführer zu 2. sei durch die Beobachtungen des Jugendamtes und des Amtsgerichts belegt. Verunsicherungen und Ängste des Kindes lägen regelmäßig in jedem Rückführungsfall vor und seien darauf zurückzuführen, daß der entführende Elternteil durch sein rechtswidriges Verhalten das Rückführungsverfahren verursacht habe.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, 2 Abs. 2, 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 bis 3, 11 Abs.
II.
Ein Grund für die Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne des §
1. Der Schutz des Kindes vor Entführung steht im Schnittpunkt verschiedener Grundrechtspositionen sowohl des Kindes als auch beider Elternteile aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 6 Abs. 1 bis 4 GG. In erster Linie obliegt es dem Gesetzgeber, aufgrund seiner Ausgestaltungsbefugnis (für Art. 6 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 81,
Einen solchen, verfassungsrechtlich unbedenklichen Ausgleich hat der Gesetzgeber mit dem Haager Kindesentführungsübereinkommen gefunden. Es soll verhindern, daß ein Kind unter Verstoß gegen das Sorgerecht und somit widerrechtlich ins Ausland gebracht wird. Das durch einen Elternteil ohne Zustimmung des anderen Elternteils in einen anderen Vertragsstaat verbrachte Kind soll möglichst schnell rückgeführt und die Sorgerechtsentscheidung am Ort des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes sichergestellt werden. Auf diese Art dient das Haager Kindesentführungsübereinkommen dem Kindeswohl (Beschluß der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 1996 - 2 BvR 233/96 -, NJW 1996, S. 1402 [1403] m.w.N.).
Dem möglichen Überwiegen des Kindeswohls aufgrund spezieller Umstände des Einzelfalls hat der Gesetzgeber mit Art. 13 Abs. 1 lit. b HKiEntfÜ hinreichend Rechnung getragen. Nach dieser Vorschrift muß die Rückgabe nicht angeordnet werden, wenn sie mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Die enge Begrenzung dieser Ausnahmebestimmung im Hinblick auf den am Kindeswohl orientierten Zweck des Haager Übereinkommens haben die Fachgerichte deutlich herausgearbeitet; gegen sie sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht ersichtlich (Beschluß der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 1996 - 2 BvR 233/96 -, NJW 1996, S. 1402 [1403]).
Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch, daß die Beweislast für die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKiEntfÜ derjenige trägt, der sich der Rückgabe des Kindes widersetzt. Denn diese Regelung dient ebenfalls der vom Gesetzgeber als entscheidend für die Durchsetzung des Kindeswohls angesehenen Schnelligkeit der Rückgabeentscheidung. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist schließlich auch Art. 14 HKiEntfÜ, demzufolge die Gerichte bei der Feststellung, ob ein widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten im Sinne des Art. 3 HKiEntfÜ vorliegt, das im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts geltende Recht und die gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen auch ohne förmliche Anerkennung oder förmlichen Nachweis berücksichtigen können. Anderenfalls drohte wiederum eine ganz erhebliche Verzögerung der Entscheidung, die dem Kindeswohl abträglich wäre.
2. Es ist auch nicht ersichtlich, daß in den angegriffenen Entscheidungen bei Auslegung und Anwendung des Haager Kindesentführungsübereinkommens die Rechte des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 und 2, die Rechte der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 bis 4 GG und die Verpflichtung auf das Kindeswohl in Art. 6 Abs. 2 GG nicht hinreichend beachtet worden wären. Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der Fachgerichte; nur bei Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (BVerfGE 18,
3. Die Grundrechte aus Art. 16 Abs. 2, 11, 103 Abs. 1 GG sind nicht verletzt.
Der Schutzbereich des Art. 16 Abs. 2 GG ist nicht berührt, da die Herausgabe eines Kindes an einen sorgeberechtigten Elternteil auf der Grundlage familiärer Rechtsbeziehungen weder selbst eine Auslieferung darstellt noch einer solchen gleichkommt. Es fehlt an der für die Auslieferung kennzeichnenden Verbringung in die Hoheitsgewalt eines anderen Staates auf dessen Ersuchen; das Kind wird lediglich - vorläufig - auf Ersuchen eines Elternteils elterlicher Obhut unterstellt (Beschluß der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 1995 - 2 BvR 982, 983/95 -, S. 3 des Umdrucks m.w.N.).
Das Grundrecht des Beschwerdeführers zu 2. aus Art. 11 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Zwar schützt Art. 11 GG auch das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen (BVerfGE 80,
Auch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG geht fehl. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt gegenüber deutschen Gerichten weder das Recht auf ein bestimmtes Beweismittel noch auf bestimmte Arten von Beweismitteln (vgl. BVerfGE 57,
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Entscheidungsbesprechung: Klein, IPRax 1997, 106