BVerfG - Beschluß vom 08.05.1973
2 BvL 5/72; 2 BvL 6/72; 2 BvL 7/72; 2 BvL 13/72
Normen:
GG Art. 2 Abs. 1 Art. 3 Abs. 1 Art. 6 Abs. 5 Art. 20 Abs. 3 ; ZPO § 232 Abs. 2 ;
Fundstellen:
BVerfGE 35, 41
AnwBl 1973, 301
AP Nr. 20 zu § 232 ZPO
FamRZ 1973, 442
JuS 1973, 784
MDR 1973, 829
NJW 1973, 1315
Rpfleger 1973, 292
SGb 1973, 496
VersR 1973, 956
Vorinstanzen:
OLG Celle, vom 04.01.1972 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 201/71
OLG Celle, vom 18.01.1972 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 181/71
OLG Celle, vom 08.02.1972 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 220/71
OLG Celle, vom 12.09.1972 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 98/72

Verfassungsmäßigkeit des § 232 Abs. 2 ZPO in Statusverfahren

BVerfG, Beschluß vom 08.05.1973 - Aktenzeichen 2 BvL 5/72; 2 BvL 6/72; 2 BvL 7/72; 2 BvL 13/72

DRsp Nr. 1996/8103

Verfassungsmäßigkeit des § 232 Abs. 2 ZPO in Statusverfahren

1. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) enthält nicht für jeden Sachverhalt in allen Einzelheiten eindeutig bestimmte Gebote oder Verbote von Verfassungsrang, sondern ist ein Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, wobei allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaates und die Rechtsstaatlichkeit im ganzen gewahrt bleiben müssen.2. Zur Rechtsstaatlichkeit gehört nicht nur die materielle Gerechtigkeit, sondern auch die Rechtssicherheit. Das Prinzip der Rechtssicherheit liegt mit der Forderung nach materieller Gerechtigkeit häufig im Widerstreit. Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, einen solchen Widerstreit bald nach der Seite der Rechtssicherheit, bald nach der Seite der materiellen Gerechtigkeit hin zu entscheiden. Geschieht dies ohne Willkür, so kann ,die gesetzgeberische Entscheidung aus Verfassungsgründen nicht beanstandet werden.

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 1 Art. 3 Abs. 1 Art. 6 Abs. 5 Art. 20 Abs. 3 ; ZPO § 232 Abs. 2 ;

Gründe:

(einschließlich Abweichender Meinung[en])

A.

Die Vorlagebeschlüsse betreffen die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten an der Versäumung einer Berufungsfrist auch in Kindschaftssachen ,der vertretenen Partei zugerechnet wird.