BVerfG - Beschluss vom 09.11.2020
1 BvR 697/20
Normen:
GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 2; BGB § 1603 Abs. 1;
Fundstellen:
FamRB 2021, 51
FamRZ 2021, 274
Vorinstanzen:
OLG Naumburg, vom 14.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 8 UF 167/19

Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt unter Zurechnung fiktiver Einkünfte hinsichtlich einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen; Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht

BVerfG, Beschluss vom 09.11.2020 - Aktenzeichen 1 BvR 697/20

DRsp Nr. 2021/650

Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt unter Zurechnung fiktiver Einkünfte hinsichtlich einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen; Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht

Tenor

1.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Januar 2020 - 8 UF 167/19 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes.

2.

Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Naumburg zurückverwiesen.

3.

Das Land Sachsen-Anhalt hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

4.

Damit erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.

5.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 2; BGB § 1603 Abs. 1;

[Gründe]

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt unter Zurechnung fiktiver Einkünfte.

I.

1. Die Beschwerdeführerin ist Mutter einer minderjährigen Tochter und eines minderjährigen Sohnes, die beide von dem von ihr getrennt lebenden Vater betreut werden.