Nachlassinsolvenzverfahren

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Allgemeines

Haftungsbeschränkung

Befreiung von Nachlassverbindlichkeiten

Das Nachlassinsolvenzverfahren dient in erster Linie dazu, die persönliche Haftung des/der Erben für Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1975 BGB auszuschließen, soweit nicht bereits aufgrund Inventarsäumnis (§ 1994 BGB), Inventaruntreue (§ 2005 BGB) oder durch Verzicht auf die Beschränkung der Erbenhaftung die unbeschränkbare Haftung des/der Erben eingetreten ist. Das Nachlassinsolvenzverfahren stellt jedoch nur eine von mehreren Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung des Erben dar. So kann der Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten gegenüber einzelnen Gläubigern z.B. auch mittels des Aufgebotsverfahrens1973 BGB) beschränken. Als Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne gelten gem. § 1967 Abs. 2 BGB neben den Erblasserschulden auch die Erbfallschulden, d.h. diejenigen Verbindlichkeiten, die sich aufgrund des Erbfalls ergeben. Dazu gehören u.a. die Erfüllungsansprüche der Pflichtteilsberechtigten und der Vermächtnisnehmer. Auch die Beerdigungskosten, die der Erbe gem. § 1968 BGB zu tragen hat, zählen zu den Nachlassverbindlichkeiten (OLG München, NJW 1974, 704).

Übersicht: Endgültige Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass

Der Erbe kann seine Haftung auf den Nachlass endgültig beschränken

gegenüber allen Nachlassgläubigern

gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern

mit der Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB)

mit dem Nachlassinsolvenzverfahren (§ 1975 BGB)

mit der Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB)

mit der Unzulänglichkeitseinrede (§ 1990 BGB analog)

mit dem Aufgebotsverfahren (§ 1973 BGB)
wenn die Nachlassforderung später als fünf Jahre geltend gemacht wird (§ 1974 BGB)

mit der Erschöpfungseinrede (§ 1989 i.V.m. § 1973 BGB)

Der Erbe verliert sein Recht auf Haftungsbeschränkung

gegenüber allen Nachlassgläubigern

gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern

durch Inventarsäumnis (§ 1994 BGB)
durch Inventaruntreue (§ 2005 BGB)

durch Verzicht auf die Haftungsbeschränkung gegenüber allen Nachlassgläubigern

durch Verweigerung der eidesstattlichen Versicherung gem. § 2006 BGB und § 361 FamFG
wenn er es im Erkenntnisverfahren versäumt, sich die Beschränkung der Erbenhaftung vorbehalten zu lassen (§ 780 ZPO)

durch Verzicht auf die Haftungsbeschränkung gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern

Haftungsbeschränkung gegenüber allen Nachlassgläubigern

Der Erbe kann die Haftung seines Eigenvermögens für Nachlassverbindlichkeiten gegenüber allen Nachlassgläubigern dadurch ausschließen, dass er die Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren beantragt (§ 1975 BGB; § 316 InsO), es sei denn, er hat die Berechtigung hierfür verloren (§ 2013 BGB). Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels einer die Kosten deckenden Masse untunlich, oder wird die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens aus diesem Grund abgelehnt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht (§ 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB; Dürftigkeitseinrede).

Wirkungen der Nachlassverwaltung und der Nachlassinsolvenz

Wird die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, beschränkt sich die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass (§ 1975 BGB). Mit Rückwirkung werden der Nachlass und das Eigenvermögen des Erben getrennt (§ 1976 BGB). Der Erbe verliert die Verfügungsbefugnis über den Nachlass; sie geht auf den Nachlassverwalter bzw. den Nachlassinsolvenzverwalter über (§ 1984 BGB; §§ 80, 81 InsO). Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, kann nur noch gegen den Nachlassverwalter bzw. den Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 1984 BGB; § 87 InsO).

Haftungsbeschränkung gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern

Gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern kann die Haftungsbeschränkung auch mittels des Aufgebotsverfahrens bewirkt werden (§ 1973 BGB). Eine Haftungsbeschränkung besteht darüber hinaus auch gegenüber einem Nachlassgläubiger, der seine Forderung später als fünf Jahre nach dem Erbfall geltend macht (§ 1974 BGB). Schließlich kann der Erbe gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern die Erschöpfungseinrede erheben, soweit ein Nachlassinsolvenzverfahren nach Verteilung der Masse aufgehoben wurde (§ 1989 BGB).

Inventarerrichtung durch den Erben

Die Inventarerrichtung (§§ 1993 ff. BGB; §§ 342 Abs. 1 Nr. 9, 360 FamFG) stellt keine Möglichkeit der Haftungsbeschränkung dar. Die gesetzliche Vermutung des § 2009 BGB birgt für den Erben jedoch Vorteile u.a. für den Fall, dass gegen ihn Ersatzansprüche nach § 1978 BGB geltend gemacht werden. Für den Nachlassgläubiger besteht über das Inventar die Möglichkeit, die unbeschränkbare Erbenhaftung dadurch herbeizuführen, dass er gem. § 1994 BGB einen Antrag an das Nachlassgericht mit dem Inhalt stellt, es möge dem Erben eine Frist zur Erstellung des Inventars bestimmt werden. Versäumt der Erbe diese Frist, haftet er allen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkbar. Ein vom Erben nach § 2003 BGB gestellter Antrag an das Nachlassgericht auf Aufnahme des Inventars hindert den Nachlassgläubiger, solange das Inventar nicht errichtet ist, nicht daran, gem. § 1994 BGB die Bestimmung einer Inventarfrist zu beantragen (OLG München, Beschl. v. 24.07.2008 - 31 Wx 27/08).

Daneben kann mit dem Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gem. § 2006 BGB und § 361 FamFG der Wegfall der Haftungsbeschränkung gegenüber dem Antragsteller erreicht werden, wenn der Erbe die Versicherung verweigert (§ 2006 Abs. 3 BGB).

Kein Verlust der Haftungsbeschränkung durch Zeitablauf

Der reine Zeitablauf führt nicht zum Verlust der Beschränkungsmöglichkeiten seitens des Erben. Selbst dann, wenn seit dem Erbfall und der Annahme der Erbschaft bereits Jahre vergangen sind, kann der Erbe seine Haftung noch auf den Nachlass beschränken. Allerdings muss er Vermögenswerte, die er dem Nachlass entnommen hat und deren Entnahme nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses vorgenommen wurde, an den Nachlassverwalter bzw. den Insolvenzverwalter herausgeben (§ 1978 Abs. 1 BGB).

Verlust der Haftungsbeschränkung gegenüber allen Nachlassgläubigern

Sobald der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten jedoch aufgrund Inventarsäumnis (§ 1994 BGB), Inventaruntreue (§ 2005 BGB) oder Verzicht auf die Beschränkung der Haftung gegenüber allen Nachlassgläubigern unbeschränkbar haftet, kann er seine Haftung auch gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern nicht mehr auf den Nachlass beschränken. Er ist dann nicht mehr berechtigt, die Anordnung der Nachlassverwaltung zu beantragen (§ 2013 Abs. 1 BGB). Dagegen kann er zwar weiterhin die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen (§ 317 InsO), die jedoch keine Haftungsbeschränkung mehr herbeiführt, sondern nur dazu dient, dass die Insolvenzmasse, also der Nachlass, ausschließlich zur Befriedigung der Nachlassverbindlichkeiten verwendet wird (§ 325 InsO).

Verlust der Haftungsbeschränkung gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern

Die Tatsache, dass der Erbe gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern unbeschränkbar haftet, hindert den Erben dagegen nicht daran, gegenüber den übrigen Nachlassgläubigern eine Haftungsbeschränkung zu erwirken. Eine unbeschränkbare Haftung des Erben entsteht u.a. gegenüber demjenigen Gläubiger, der gem. § 2006 BGB die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangt, die der Erbe grundlos verweigert.

Nach Durchführung eines Nachlassinsolvenzverfahrens bleibt die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass bestehen (§ 1989 BGB). Dies gilt auch für die Zeit nach Aufhebung der Nachlassverwaltung, obwohl sich keine ausdrückliche Regelung findet, da § 1989 BGB nicht auf die Nachlassverwaltung verweist (BGH, NJW 1954, 635 f.).

Urteilsvorbehalt als Voraussetzung für die Haftungsbeschränkung

Der als Erbe des Schuldners Verurteilte kann sich im Zwangsvollstreckungsverfahren auf die Haftungsbeschränkung nur berufen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist, § 780 ZPO. Dieser Vorbehalt kann in das Urteil aber nur aufgenommen werden, wenn der Schuldner ihn einredeweise geltend macht. Eine Hinweispflicht des Gerichts nach § 139 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Die erstmalige Geltendmachung des Vorbehalts in der Berufungsinstanz ist unabhängig von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn die Voraussetzungen für seine Aufnahme unstreitig gegeben sind (BGH v. 02.02.2010 - VI ZR 82/09). Versäumt es der Erbe, sich die Beschränkung der Erbenhaftung vorbehalten zu lassen, so haftet er dem obsiegenden Nachlassgläubiger gegenüber unbeschränkbar.

Vorbehalt der Haftungsbeschränkung im Erkenntnisverfahren

Der als Erbe des Schuldners von einem Nachlassgläubiger in Anspruch genommene Beklagte kann sich darauf beschränken, sich die Haftungsbeschränkung vorbehalten zu lassen. Das erkennende Gericht muss nicht prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung gegeben sind (BGH, NJW 1991, 2839; a.A. BGH v. 21.10.2020 - VIII ZR 261/18). Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags. Es genügt, dass sich der Erbe im Erkenntnisverfahren darauf beruft. Der Vorbehalt bedarf auch keiner Begründung (BGH v. 29.05.1964 - V ZR 47/62; BGH v. 09.03.1983 - IVa ZR 211/81). Mit der Aufnahme des Haftungsvorbehalts ist mithin keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Erbe zu einer Haftungsbeschränkung tatsächlich befugt ist. Dies wird erst in der Zwangsvollstreckung und dort insbesondere im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 785 ZPO zum Prüfungsgegenstand (KG, NJW-RR 2003, 941; OLG Oldenburg, OLGR Oldenburg 2000, 207). Nach BGH vom 21.10.2020 - VIII ZR 261/18 ist mit dem rechtskräftigen Vorbehalt der Haftungsbeschränkung jedoch die verbindliche Feststellung verbunden, dass es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt. Allein die vorbehaltene Möglichkeit der Haftungsbeschränkung hindert zwar die Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen des Erben nicht. Hat sich der Erbe die Haftungsbeschränkung vorbehalten, und stellt er anschließend keinen Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung oder auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, und kann er auch die Dürftigkeitseinrede nicht erheben, so bleibt die ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahme eines Nachlassgläubigers in das Eigenvermögen des Erben wirksam. Erhebt der Erbe jedoch die Vollstreckungsabwehrklage, so hat das entscheidende Gericht davon auszugehen, dass es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt.

Vorbehalt im Kostenfestsetzungsverfahren

Erhebt der Erbe der Prozesspartei als Kostenschuldner gegen den Gerichtskostenansatz die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses gem. § 1990 BGB, so ist diese nur beachtlich, wenn sie bereits bei der Kostengrundentscheidung im Hauptsacheverfahren berücksichtigt worden ist (BGH, RVGReport 2004, 199; a.A. KG, RVGReport 2004, 184). Ergeht dagegen der Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Erben, während das zugrundeliegende Urteil noch gegen den vor dem Verkündungstermin verstorbenen Erblasser ergangen ist, kann der Erbe den Einwand der beschränkten Erbenhaftung auch noch im Kostenfestsetzungsverfahren erheben (OLG Celle, NJW-RR 1988, 133).

Vorbehalt unnötig bei Titeln gegen den Erblasser

Wird die Zwangsvollstreckung aus einem gegen den Erblasser erwirkten Titel vor oder nach dessen Umschreibung auf den Erben betrieben, findet die Vorschrift des § 780 ZPO keine Anwendung; bei der Klauselklage aber wohl schon. Der Erbe muss sich also nicht etwa im Rahmen der Klauselumschreibung auf die Haftungsbeschränkung berufen oder sich diese vorbehalten. Gleichwohl kann er gegen einen Nachlassgläubiger, der aus dem umgeschriebenen Titel in sein Eigenvermögen vollstreckt, die Vollstreckungsabwehrklage erheben.

Dagegen ist § 780 Abs. 1 ZPO auch auf den Prozessvergleich anwendbar, den der Erbe mit einem Nachlassgläubiger schließt. Will sich demnach der Erbe die Möglichkeit erhalten, der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich mit dem Einwand der beschränkten Erbenhaftung zu begegnen, muss er die Aufnahme des Vorbehalts im Prozessvergleich erwirken (BGH, NJW 1991, 2839).

Kosten bei sofortigem Anerkenntnis

Die Kosten des Rechtsstreits auf Zahlung einer Nachlassverbindlichkeit sind dem klagenden Nachlassgläubiger aufzuerlegen, wenn die beklagten Erben keine Veranlassung zur Klage gegeben haben, weil sie vorgerichtlich die Klageforderung weder geleugnet noch in Zweifel gezogen haben. Ein Anlass zur Klageerhebung kann nicht schon aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die Erben die Klageforderung nicht - aus Mitteln des Nachlasses oder aus eigenen Mitteln - beglichen und sich darauf beschränkt haben, dem Gläubiger - auf Verlangen - Mitteilung über den Stand der Nachlassermittlungen zu machen und - im Hinblick auf eine Überschuldung des Nachlasses - die Berufung auf die beschränkte Erbenhaftung angekündigt haben (OLG München v. 27.06.1995 - 7 W 1669/95).

Antrag des Erben

Die Nachlassverwaltung ist auf Antrag des Erben vom Nachlassgericht anzuordnen (§ 1981 Abs. 1 BGB; §§ 342 Abs. 1 Nr. 8, 359 FamFG). Einer weiteren Begründung bedarf der Antrag des Erben nicht (LG Aachen, NJW 1960, 46). Auch ist die Annahme der Erbschaft nicht Voraussetzung für die Antragstellung (a.A. Staudinger/Marotzke, BGB, § 1981 Rdnr. 11). Jedoch ist die Nachlassverwaltung aufzuheben, wenn der antragstellende (vorläufige) Erbe die Erbschaft ausschlägt. Mehrere Miterben können den Antrag nur gemeinschaftlich und nur vor der Teilung des Nachlasses stellen (§ 2062 BGB).

Antrag des Gläubigers

Auf Antrag eines Nachlassgläubigers ist die Nachlassverwaltung anzuordnen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird (§ 1981 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Frage, ob die genannten Voraussetzungen für die Anordnung auf Gläubigerantrag vorliegen, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur (vgl. BayObLG, NJW-RR 2002, 871). Ein Gläubigerantrag kann nicht mehr gestellt werden, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre verstrichen sind.

Ausschluss der Nachlassverwaltung

Der Antrag des Schuldners ist dagegen zeitlich unbegrenzt möglich. Allerdings ist die Anordnung der Nachlassverwaltung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Erbe allgemein unbeschränkt haftet, also die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung gegenüber allen Nachlassgläubigern verloren hat (§ 2013 BGB). Dies ist der Fall bei Versäumung der Inventarfrist (§ 1994 Abs. 1 BGB), bei Inventaruntreue (§ 2005 BGB) sowie bei Verzicht des Erben auf die Haftungsbeschränkung. Ausgeschlossen ist die Anordnung der Nachlassverwaltung auch bei Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1988 BGB) sowie nach Teilung des Nachlasses unter den Miterben (§ 2062 BGB).

Stellung des Nachlassverwalters

Mit der Anordnung der Nachlassverwaltung hat das Nachlassgericht den Nachlassverwalter zu bestellen. Auf diesen geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Nachlasses über (§§ 1984, 1985 BGB). Der Nachlassverwalter hat die Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass zu berichtigen; dies allerdings erst dann, wenn er annehmen darf, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht (§ 1985 Abs. 2 i.V.m. § 1979 BGB). Dazu muss der Nachlassverwalter einerseits sorgfältig prüfen, welche Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und noch entstehen können, sowie andererseits, welche Aktiva zum Nachlass gehören und welchen Erlös er aus deren Verwertung erlangen wird. Ohne ein solches Vorgehen darf er nicht von der Zulänglichkeit des Nachlasses ausgehen. Die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Umstände, die dazu geführt haben sollen, dass Zulänglichkeit angenommen werden durfte, trägt der Nachlassverwalter (BGH, NJW 1985, 140).

Antragspflicht des Nachlassverwalters

Reicht der Nachlass nicht aus, um alle Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen, ist der Nachlassverwalter verpflichtet, die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, sobald er von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt (§ 1985 Abs. 2 i.V.m. § 1980 BGB). Dies gilt auch dann, wenn damit zu rechnen ist, dass die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird (OLG Stuttgart, Rpfleger 1984, 416).

Aufsicht des Nachlassgerichts

Die Nachlassverwaltung ist eine Unterart der Nachlasspflegschaft. Sie unterliegt als solche den allgemeinen Vorschriften über die Pflegschaft (RGZ 88, 264 ff.). Der Nachlassverwalter unterliegt der Aufsicht des Nachlassgerichts (§§ 1960, 1962, 1915, 1837, 1886 BGB). Der Nachlassverwalter ist für die Verwaltung des Nachlasses auch den Nachlassgläubigern verantwortlich (§ 1985 Abs. 2 BGB). Daraus ergibt sich jedoch kein Recht des Nachlassgläubigers, die Entlassung eines Nachlassverwalters zu betreiben (OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 1998, 102; a.A. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1989, 1095). Vielmehr ist der Nachlassverwalter durch das Nachlassgericht zu entlassen, wenn die Fortführung des Amts, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Nachlassverwalters, das Interesse der Nachlassgläubiger gefährden würde (BayObLG, Rpfleger 1988, 264; LG Detmold, Rpfleger 1989, 241). In reinen Zweckmäßigkeitsfragen untersteht der Nachlassverwalter keinen gerichtlichen Weisungen. Der Nachlassverwalter ist wie der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes. Genehmigungen des Nachlassgerichts benötigt der Nachlassverwalter in den Fällen, in denen ein Pfleger für Rechtsgeschäfte einer gerichtlichen Genehmigung bedarf (vgl. §§ 1915, 1821, 1822 BGB). Die Vergütung des Nachlassverwalters richtet sich nach den für den Nachlasspfleger geltenden Grundsätzen (OLG Zweibrücken v. 15.03.2007 - 3 W 19/07).

Soweit ein Nachlassgläubiger ungeachtet der angeordneten Nachlassverwaltung in das Eigenvermögen des Erben vollstreckt, kann sich dieser dagegen mit der Vollstreckungsabwehrklage zur Wehr setzen (§§ 781, 785, 767 ZPO).

Vollstreckungsabwehrklage des Erben bei Nachlassverwaltung

Dabei ist der Klageantrag darauf zu richten, die Zwangsvollstreckung in einen bestimmten Gegenstand, der dem Eigenvermögen des Erben zuzurechnen ist, für unzulässig zu erklären. Steht fest, dass kein übernommenes Vermögen gegeben ist, der Nachlass also erschöpft ist, kann auch begehrt werden, die Zwangsvollstreckung aus einem Titel insgesamt für unzulässig zu erklären (OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 31; OLG Celle, NJW-RR 1988, 133). Vollstreckungsmaßnahmen, die vor der Anordnung der Nachlassverwaltung zugunsten eines Nachlassgläubigers in das Eigenvermögen des Erben vorgenommen wurden, sind auf dessen Verlangen aufzuheben (§ 784 Abs. 1 ZPO). Die Anordnung der Nachlassverwaltung ist seitens der Vollstreckungsorgane nicht von Amts wegen zu beachten (OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 1997, 250).

Zwangsvollstreckung in den Nachlass bei Nachlassverwaltung

In den Nachlass kann ein Nachlassgläubiger auch nach Anordnung der Nachlassverwaltung die Zwangsvollstreckung betreiben. Erforderlich hierzu ist ein Titel gegen den Nachlassverwalter, der ggf. im Wege der Klauselumschreibung nach § 727 ZPO erlangt werden kann (a.A. Palandt/Edenhofer, BGB § 1984 Rdnr. 5, wonach sich der Titel gegen den Erben richten muss). Dagegen ist die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zugunsten eines Gläubigers, der nicht Nachlassgläubiger ist, ausgeschlossen (§ 1984 Abs. 2 BGB). Einer gleichwohl vorgenommenen Zwangsvollstreckungsmaßnahme kann der Nachlassverwalter mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO begegnen. Gegen Vollstreckungsmaßnahmen von Nichtnachlassgläubigern, die vor der Anordnung der Nachlassverwaltung in den Nachlass vorgenommen wurden, steht dem Nachlassverwalter die Abwehrklage nach §§ 784 Abs. 2, 785, 767 ZPO zu.

Zwangsvollstreckung bei Nachlassverwaltung

Nachlassgläubiger

Eigengläubiger des Erben

Zulässiges Vollstreckungsobjekt

Nachlass

Eigenvermögen des Erben

Titelerfordernis

Titel gegen den Nachlassverwalter

Titel gegen den Erben

Rechtsbehelfe

Vollstreckungsabwehrklage des Erben bei Vollstreckung in sein Eigenvermögen

Vollstreckungserinnerung des Nachlassverwalters bei Vollstreckung in den Nachlass

Antragspflicht des Erben

Hat der Erbe von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt, so hat er unverzüglich die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen (§ 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB). Verletzt er diese Pflicht, so ist er den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich (§ 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB). Vor der Annahme der Erbschaft besteht diese Verpflichtung nicht und damit auch kein Schadensersatzanspruch der Gläubiger (BGH, WM 2005, 237). Der zu ersetzende Schaden entspricht der Differenz zwischen dem Erlös, der bei rechtzeitiger Antragstellung hätte erzielt werden können, und dem Betrag, der im Rahmen der verspäteten Antragstellung an die Gläubiger ausbezahlt werden kann (Quotenschaden). Auch der Ersatz unnötig aufgewandter Prozesskosten kann ggf. verlangt werden. Die Antragspflicht des Erben endet mit Anordnung einer Nachlassverwaltung, womit die Antragspflicht den Nachlassverwalter trifft (§ 1985 Abs. 2 BGB).

Antragsrecht des vorläufigen Erben

Bereits vor der Annahme der Erbschaft kann der voraussichtliche Erbe den Eröffnungsantrag stellen (§ 316 Abs. 1 InsO). In der Antragstellung ist nicht die schlüssige Annahme der Erbschaft zu sehen. Kein Antragsrecht hat derjenige Erbe, der die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat.

Sonstige Antragsrechte

Einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens kann auch ein Nachlasspfleger stellen (BGH v. 12.07.2007 - IX ZB 82/04).

Forderungsanmeldung

Mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht den Insolvenzverwalter zu bestellen, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des die Insolvenzmasse bildenden Nachlasses übergeht (§§ 80, 81 InsO). Während des eröffneten Insolvenzverfahrens können Nachlassverbindlichkeiten nur durch deren Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden (§§ 325, 87, 174 InsO). Masseverbindlichkeiten i.S.d. §§ 54, 55, 324 InsO sind vorab aus der Insolvenzmasse zu befriedigen.

Zwangsvollstreckung in den Nachlass während des Insolvenzverfahrens

Eine Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse, also in den Nachlass, ist für Gläubiger von Nachlassverbindlichkeiten unzulässig (§§ 325, 89 Abs. 1 InsO). Einer gleichwohl ausgebrachten Vollstreckungsmaßnahme kann der Insolvenzverwalter mit der Vollstreckungserinnerung gem. § 89 Abs. 3 InsO begegnen. Gegen die nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Zwangsvollstreckung eines Nachlassgläubigers in sein Eigenvermögen kann der Erbe die Vollstreckungsabwehrklage erheben, soweit ihm die Haftungsbeschränkung nach § 780 Abs. 1 ZPO vorbehalten wurde oder ein Vorbehalt nicht erforderlich ist (§§ 781, 785, 767 ZPO) und er nicht bereits gegenüber allen Nachlassgläubigern unbeschränkbar haftet. Unter denselben Voraussetzungen kann der Erbe die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen eines Nachlassgläubigers verlangen, die vor Verfahrenseröffnung in sein Eigenvermögen ausgebracht wurden (§ 784 Abs. 1 ZPO); dieses Recht ist ebenfalls mit der Vollstreckungsabwehrklage zu verfolgen (§ 785 ZPO).

Beispiel

Der Erbe A zieht das ererbte Kontoguthaben des Erblassers auf sein Konto ein. Das nunmehr vorhandene Guthaben wird dem Eigengläubiger G des A aufgrund eines erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ausbezahlt. Als sich anschließend der Nachlassgläubiger N bei A mit der Aufforderung meldet, eine vom Erblasser begründete Verbindlichkeit zu begleichen, beantragt A die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, das in der Folge auch eröffnet wird. Noch vor der Antragstellung wird im Auftrag des Nachlassgläubigers N eine vom Erblasser stammende Briefmarkensammlung gepfändet und zugunsten des N verwertet.

Nach § 1978 Abs. 2 BGB steht der Insolvenzmasse ein Anspruch gegen den Erben zu, der in entsprechender Anwendung von § 667 BGB auf die Herausgabe desjenigen gerichtet ist, was der Erbe erlangt hat. Danach muss A das Kontoguthaben, wie es zum Zeitpunkt des Erbfalls bestand, an den Insolvenzverwalter herausgeben. Dass ihm die Herausgabe des Guthabens aufgrund der Zwangsvollstreckungsmaßnahme des G nicht mehr möglich ist, kann der Erbe dem Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht entgegenhalten. Gegenüber dem G kann der Insolvenzverwalter die Drittwiderspruchsklage erheben, der damit die Zugehörigkeit des ererbten Kontoguthabens zur Masse geltend macht. Ist die Vollstreckung bereits abgeschlossen, kommt ein Anspruch des Insolvenzverwalters aus § 812 BGB in Betracht. Durch die Anordnung des Insolvenzverfahrens trat rückwirkend eine Sonderung von Erbmasse und Eigenvermögen des A ein. G hat damit (teilweise) Befriedigung seiner Ansprüche aus einem Vermögen erlangt, gegen das er keinen Anspruch hatte. Gegen den N bestehen dagegen keine Bereicherungsansprüche, da ihm der Nachlass haftete. Soweit N allerdings durch eine Zwangsvollstreckung Befriedigung erlangt hat, stellt dies eine inkongruente Deckung i.S.d. § 131 InsO dar, die der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter unterliegt und einen Rückgewähranspruch der Masse gem. § 143 InsO begründet.

Überleitung eines Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens

Tod des Schuldners während eines laufenden Verfahrens

Neben der Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens auf Antrag des/der Erben oder eines Nachlassgläubigers stellt die Überleitung eines Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Nachlassinsolvenzverfahrens einen weiteren Anwendungsbereich dieses besonderen Verfahrens dar. Eine solche von Amts wegen vorzunehmende Überleitung wird dann notwendig, wenn der Schuldner während des laufenden Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens verstirbt (vgl. BGH v. 26.09.2013 - IX ZR 3/13).

Tod des Schuldners während der Wohlverhaltensperiode

Tritt der Tod des Schuldners dagegen während der Wohlverhaltensperiode ein, erfolgt keine Überleitung in ein Nachlassinsolvenzverfahren. Vielmehr erledigt sich in diesem Fall die Wohlverhaltensphase, da das damit verbundene Ziel der Restschuldbefreiung für einen Nachlass nicht in Betracht kommt.

Tod des Schuldners im Eröffnungsverfahren

Verstirbt der Schuldner, nachdem er einen Eigenantrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens gestellt hat und bevor über diesen Antrag entschieden wurde, bewirkt der Tod des Schuldners ohne weiteres eine Überleitung des Eröffnungsverfahrens vom Regel- in das Nachlassinsolvenzverfahren (BGH v. 22.01.2004 - IX ZR 39/03). Stellt der Schuldner einen eigenen Insolvenzantrag und verstirbt sodann während des Eröffnungsverfahrens, wird das Eröffnungsverfahren ohne Unterbrechung mit den Erben als Schuldnern fortgesetzt (AG Hamburg v. 06.03.2023 - 67g IN 2/23). Wird das Insolvenzverfahren in Unkenntnis des Todes des Schuldners eröffnet, so ist der Eröffnungsbeschluss wirksam; dies gilt auch dann, wenn den Erben vor der Eröffnung aufgrund der Unkenntnis des Todes kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Das Insolvenzverfahren ist durch deklaratorischen Beschluss in ein Nachlassinsolvenzverfahren überzuleiten, da die Insolvenzgründe identisch sind. Ein vom Schuldner gestellter Restschuldbefreiungsantrag wird mit dem Tod des Schuldners gegenstandslos, da dem Nachlass jedenfalls bei Tod des Schuldners vor der Eröffnung keine Restschuldbefreiung gewährt werden kann.Auch ein Stundungsantrag des Schuldners wird mit dem Tod gegenstandslos. Ist das Verfahren aufgrund bewilligter Stundung der Verfahrenskosten eröffnet worden, ändert dies nichts an der Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses. Sofern sich herausstellt, dass keine die Verfahrenskosten deckende Masse im Nachlass vorhanden ist, ist gem. § 207 InsO zu verfahren.

Zuständigkeit

Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte (§ 315 Satz 1 InsO). Lag der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Erblassers an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt (§ 315 Satz 2 InsO). Dies gilt zumindest dann, wenn die selbständige wirtschaftliche Tätigkeit des Erblassers nicht allzu früh vor seinem Ableben aufgegeben wurde (HK-InsO/Marotzke, § 315 Rdnr. 3).

Anzuwendende Vorschriften

Verweis auf die allgemeinen Regeln

Auf das Insolvenzverfahren, das gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO über einen Nachlass angeordnet werden kann, finden die Vorschriften der §§ 314 - 331 InsO Anwendung. Soweit darin keine Besonderheiten enthalten sind, gelten die allgemeinen Bestimmungen. Ausgeschlossen ist die Restschuldbefreiung sowie das Planverfahren. Ebenso ausgeschlossen ist die Möglichkeit, über eine Erbengemeinschaft als solche ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, da die Erbengemeinschaft nicht insolvenzfähig ist (vgl. AG Duisburg v. 04.08.2003 - 63 IN 170/03).