BFH - Urteil vom 18.12.2019
XI R 10/19
Normen:
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1; InsO § 35 Abs. 2 und 3, § 55 Abs. 1 Nr. 1;
Fundstellen:
BFH/NV 2020, 743
BStBl II 2020, 480
DStR 2020, 1200
DStRE 2020, 760
DZWIR 2020, 574
NZI 2020, 626
ZIP 2020, 1307
ZInsO 2020, 1320
ZVI 2020, 341
Vorinstanzen:
FG Sachsen, vom 20.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 75/16

Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Duldung einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den InsolvenzverwalterVorrangige Befriedigung der so entstandenen Umsatzsteuerschuld aus der Insolvenzmasse

BFH, Urteil vom 18.12.2019 - Aktenzeichen XI R 10/19

DRsp Nr. 2020/7403

Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Duldung einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter Vorrangige Befriedigung der so entstandenen Umsatzsteuerschuld aus der Insolvenzmasse

1. Hat der Insolvenzverwalter Kenntnis davon, dass der Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, oder war eine solche Tätigkeit für ihn erkennbar, ist er in einem nach dem 30.06.2007 eröffneten Insolvenzverfahren gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO verpflichtet, unverzüglich zu erklären, ob er die Tätigkeit aus der Insolvenzmasse freigibt oder nicht. 2. Verletzt der Insolvenzverwalter diese Pflicht, führt sein pflichtwidriges Unterlassen dazu, dass Verbindlichkeiten "in anderer Weise" i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet werden (Fortführung der BFH-Urteile vom 18.05.2010 – X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114; vom 01.06.2016 – X R 26/14, BFHE 253, 518, BStBl II 2016, 848; vom 06.06.2019 – V R 51/17, BFHE 265, 294). 3. Eine formfrei mögliche Freigabeerklärung wirkt grundsätzlich erst ab ihrem Zugang beim Insolvenzschuldner (ex nunc). Die Überleitung der Vertragsverhältnisse, die der selbständigen Tätigkeit des Schuldners dienen, wirkt nicht auf Forderungen und Verbindlichkeiten zurück, soweit diese vor Wirksamwerden der Erklärung entstanden sind (Anschluss an das BGH-Urteil vom 21.02.2019 – , BGHZ 221, ).