LAG Hamm - Urteil vom 11.11.2005
7 Sa 1314/05
Normen:
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1 § 13 Abs. 3 § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 § 18 ; Richtlinie 98/59/EG (vom 20.07.98) Art. 2 Art. 3 Art. 4 ; BGB § 613a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 ; ZPO § 256 Abs. 1 § 377 Abs. 3 ;
Vorinstanzen:
ArbG Iserlohn, vom 11.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ca 2554/04

Betriebsbedingte Kündigung bei Betriebsstillegung - Vertrauensschutz für Altfälle bei Änderung der Rechtsprechung zur Massenentlassungsanzeige - keine identitätswahrende Fortführung wirtschaftlicher Einheit bei Umrüstung von Großserienproduktion auf Kleinserienfertigung

LAG Hamm, Urteil vom 11.11.2005 - Aktenzeichen 7 Sa 1314/05

DRsp Nr. 2006/2909

Betriebsbedingte Kündigung bei Betriebsstillegung - Vertrauensschutz für Altfälle bei Änderung der Rechtsprechung zur Massenentlassungsanzeige - keine identitätswahrende Fortführung wirtschaftlicher Einheit bei Umrüstung von Großserienproduktion auf Kleinserienfertigung

1. Die sofortige Umsetzung des Urteils des EuGH vom 27.01.2005 zur Massenentlassungsanzeige auch auf "Altfälle" ist mit den Grundsätzen des rechtsstaatlichen Prinzips des Vertrauensschutzes nicht vereinbar; durfte der Arbeitgeber mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und ist dieses Vertrauen bei einer Abwägung der Interessen des Einzelnen mit denjenigen der Allgemeinheit schutzwürdig, ist eine unechte Rückwirkung unzulässig.2. Entgegen der vom Arbeitsgericht Bochum vertretenen Rechtsauffassung erfahren die Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der §§ 17, 18 KSchG Tatbestandswirkung für das arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzverfahren.3. Die Umrüstung von der Großserienproduktion (100.000 bis 800.000 Stück) für die Automobilindustrie auf Kleinserienfertigung (150 bis 200 Stück) und anderweitige Aufgabenstellungen sowie Unterschiede in Betriebsmethoden und Arbeitsorganisation schließen eine identitätswahrende Fortführung der wirtschaftlichen Einheit und damit einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB aus.