Obschon das BVerfG der Entscheidung keinen offiziellen Leitsatz beigegeben hat, ist aus ihr Folgendes zu entnehmen:
Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren muss jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden; | |
die Betätigung als Insolvenzverwalter ist zu einem eigenständigen Beruf geworden; | |
auch wenn dem Richter bei der Insolvenzverwalterbestellung ein weites Auswahlermessen zugestanden wird, kann dies angesichts der weitreichenden Entscheidung für oder gegen bestimmte Berufsangehörige nicht ohne jede Bindung an Art. | |
die Chancengleichheit der Bewerber ist gerichtlicher Überprüfung zugänglich; | |
im Rahmen der Vorauswahl geeigneter Bewerber ist ein justiziables Vorauswahlverfahren verfassungsrechtlich geboten und | |
auch Ermessensentscheidungen können hinsichtlich der Maßstäbe, insbesondere der zu berücksichtigenden tatsächlichen Gesichtspunkte und der für maßgeblich erachteten Kriterien für die Eignung von Bewerbern, überprüft werden. |
Die Entscheidung betrifft inhaltlich lediglich die Frage der Vorauswahl der Insolvenzverwalter und die Rechtsmittelfähigkeit der dabei getroffenen Entscheidungen.
Das Vorhaben einer bundesweiten Verwaltervorauswahlliste "schwelt" schon länger – eine Umsetzung ist aber bislang nicht erfolgt. Das BVerfG hat am 19.07.2006 beschlossen, dass ein Bewerber auf ein (vorläufiger) Insolvenzverwalteramt eine fehlerfreie Ermessensausübung bei der Auswahl auf dieses Amt aufgrund des Art.
Entscheidend für ein jedes Insolvenzverfahren und insbesondere für die an einem Verwalteramt interessierten Personen ist jedoch die Auswahl des Insolvenzverwalters im Einzelfall, d.h. die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 56 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO, wer genau aus dem Kreis aller möglichen Kandidaten tatsächlich Zugang zur Verwaltertätigkeit im Einzelfall erhält.
Hierzu fehlen klärende Worte des Bundesverfassungsgerichts. Für die Bewerber um ein Verwalteramt ist jedoch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts insoweit eine Verbesserung herbeigeführt worden, als der Weg auf einen Platz in einer Vorauswahlliste geklärt und wohl auch vereinfacht worden ist. Somit sind insbesondere diejenigen Bewerber, welche in der Vergangenheit von den Insolvenzgerichten generelle Ablehnungen erhalten haben, dem konkreten Zugang zu dem Beruf des Insolvenzverwalters scheinbar (etwas) nähergekommen. Die Aufnahme in eine Vorauswahlliste eines Insolvenzgerichts besagt allerdings noch nicht viel, da es stets um die konkrete Bestellung und nicht allein um einen Platz auf einer Liste geht.
Aus der Begründung der Entscheidung können allerdings auch Folgerungen für die konkrete Auswahlentscheidung gezogen werden, soweit die entsprechenden Aussagen des Bundesverfassungsgerichts entsprechend klar und eindeutig sind.
Das Gericht hat in seiner Begründung insoweit zum einen hervorgehoben, dass
Die Entscheidung betrifft nach alledem nur den Bereich der Vorauswahl, welche zwangsläufig noch vor der Auswahl selbst steht und von dieser im Wesentlichen losgelöst ist.
Es steht damit fest, dass die Insolvenzgerichte die Vorauswahllisten zu führen haben. Dies hatten bisher schon einige Insolvenzgerichte getan. Sie hatten die ihnen vorgelegten Bewerbungen zur Kenntnis genommen und registriert. Nunmehr ist eine offizielle Vorauswahlliste einzuführen. Wer dies im Einzelnen zu tun hat und wie diese Liste zu führen ist, dazu hat das BVerfG ebenfalls keine Vorgaben gemacht. Im Ergebnis dürfte es angesichts der Unabhängigkeit des Richters so sein, dass jeder Insolvenzrichter seine eigene Vorauswahlliste zu führen hat und damit auch darüber entscheiden wird, wer auf diese Vorauswahlliste kommt. Eine befriedigende Lösung kann hier insbesondere bei größeren Insolvenzgerichten mit mehreren Insolvenzrichtern nicht gesehen werden. Der häufige Wechsel von Insolvenzrichtern, der in der Praxis zu beobachten ist, führt hier zu besonderen Problemen, die nur die Praxis wird lösen können.
In die Vorauswahlliste dürfte jede Person aufzunehmen sein, die den Anforderungen des § 56 Abs. 1 InsO grundsätzlich entspricht. Damit besteht die Gefahr, dass zu viele Bewerber in diese Listen aufgenommen werden. Dann hätten die Bewerber eine formale Position, die im Übrigen nicht "werthaltig" erscheint, weil zum einen der Insolvenzrichter ohnehin nur diejenigen Personen zu Insolvenzverwaltern bestellt, die er schon immer bestellt hat, und zum anderen die Vorauswahlliste keine echten Auswahlkriterien enthält; abgesehen von der Tatsache, dass für unterschiedliche Verfahrensarten unterschiedliche Listen geführt würden. Die Liste(n) wären in diesen Fällen keine echte Unterstützung bei der Auswahl für den Insolvenzrichter. Es scheint sich auch in Zukunft und angesichts der Entscheidung des BVerfG auf die allgemeinen Kriterien der Verwalterauswahl, allerdings desjenigen Verwalters, der auf der Vorauswahlliste steht, zuzuspitzen.
Bewerber um die Aufnahme in die Vorauswahlliste haben einen Anspruch darauf, eine faire Chance auf Bestellung zum Insolvenzverwalter zu erhalten. Eine solche Chance hat ein künftiger Insolvenzverwalter nur bei willkürfreier Einbeziehung in die Auswahl vor der eigentlichen Bestellung, die aufgrund der im Vorauswahlverfahren geschaffenen Liste der generell geeigneten Bewerber getroffen wird. Wird aufgrund erhobener Daten eine Rangfolge der Bewerber zur Aufnahme in die Vorauswahlliste erstellt und soll die Position der jeweiligen Bewerber im Bewerberfeld der Vorauswahlliste Einfluss auf die Häufigkeit der Bestellung zum Insolvenzverwalter haben, ist besondere Vorsicht geboten, dass durch die Auswahl und Gewichtung der einzelnen Kriterien es nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung alteingesessener Insolvenzverwalter kommt. Die Anwendung von Punktesystemen birgt grundsätzlich die Problematik, dass Bewerber, welche die Aufnahmekriterien grundsätzlich erfüllen, je nach Anzahl der erreichten Punkte bessere oder schlechtere Chancen auf Bestellung zum Insolvenzverwalter haben. Durch Schaffung und Gewichtung von Einzelkriterien, die alteingesessene Bewerber am Ort des Insolvenzgerichts an Punktwerten bevorzugen, läuft ein solches Verfahren darauf hinaus, dass schon bei der Bildung der Vorauswahlliste ungleiche Chancen für die Bestellung im Einzelfall festgelegt werden (KG v. 14.05.2020 – 1 VA 17/17).
Ein Bewerber kann mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen, dass die Auswahlkriterien, die der Insolvenzrichter bei der Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter heranzieht, rechtswidrig sind und ihn in seinen Rechten verletzen. Hierzu zählen auch Merkmale, die eine Strukturierung der Vorauswahlliste ermöglichen sollen. Ein Bewerber kann mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen, dass er bei rechtsfehlerfreier Anwendung der vom Insolvenzrichter für eine Vorauswahlliste herangezogenen Kriterien in einer für ihn günstigeren Weise auf der Vorauswahlliste zu führen ist. Eine Punktbewertung der Bewerber ist rechtswidrig, wenn die zugrundeliegenden Daten der einzelnen Bewerber auf einer unzureichenden Grundlage gewonnen werden oder nicht ausreichend vergleichbar sind. Der Insolvenzrichter kann für die Vorauswahlliste von Bewerbern grundsätzlich aus den von diesen abgeschlossenen Insolvenzverfahren Daten zu verfahrensbezogenen Merkmalen (wie etwa "Sanierung", "Insolvenzpläne", "Massesteigerung", "Ausschüttungsquote", "Verwaltungskosten", "Abweisung mangels Masse" und "Verfahrensdauer") erheben (BGH v. 13.01.2022 – IX AR (VZ) 1/20).
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