Bestellung und Entlassung des Insolvenzverwalters

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Die Aufnahme in die und die Bedeutung der Vorauswahllisten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Inhalt der Entscheidung

Obschon das BVerfG der Entscheidung keinen offiziellen Leitsatz beigegeben hat, ist aus ihr Folgendes zu entnehmen:

Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren muss jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden;

die Betätigung als Insolvenzverwalter ist zu einem eigenständigen Beruf geworden;

auch wenn dem Richter bei der Insolvenzverwalterbestellung ein weites Auswahlermessen zugestanden wird, kann dies angesichts der weitreichenden Entscheidung für oder gegen bestimmte Berufsangehörige nicht ohne jede Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG geschehen;

die Chancengleichheit der Bewerber ist gerichtlicher Überprüfung zugänglich;

im Rahmen der Vorauswahl geeigneter Bewerber ist ein justiziables Vorauswahlverfahren verfassungsrechtlich geboten und

auch Ermessensentscheidungen können hinsichtlich der Maßstäbe, insbesondere der zu berücksichtigenden tatsächlichen Gesichtspunkte und der für maßgeblich erachteten Kriterien für die Eignung von Bewerbern, überprüft werden.

Die Entscheidung betrifft inhaltlich lediglich die Frage der Vorauswahl der Insolvenzverwalter und die Rechtsmittelfähigkeit der dabei getroffenen Entscheidungen.

Bundesweite Vorauswahlliste

Das Vorhaben einer bundesweiten Verwaltervorauswahlliste "schwelt" schon länger – eine Umsetzung ist aber bislang nicht erfolgt. Das BVerfG hat am 19.07.2006 beschlossen, dass ein Bewerber auf ein (vorläufiger) Insolvenzverwalteramt eine fehlerfreie Ermessensausübung bei der Auswahl auf dieses Amt aufgrund des Art. 3 Abs. 1 GG erwarten kann. Die Auswahl zum Insolvenzverwalter soll sich daher transparent gestalten und die Ermessenentscheidung nachvollziehbar sein. Die Eignung und Befähigung soll durch das Gericht geprüft und festgestellt werden und die potentiellen Kandidaten sollen in einer Liste geführt werden. Der BGH hatte zu Beginn des Jahres 2022 über das Listingverfahren zu entscheiden. Dabei wurde das Listingverfahren grundsätzlich nicht in Abrede gestellt. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Listingmethoden entwickelt, die in unterschiedlichster Ausgestaltung das Anforderungsprofil eines Gerichts widerspiegeln. Von Verfassung wegen können im Listingverfahren die Gerichte Anforderungskriterien aufstellen und hierbei ein Zulassungsverfahren für ihr Listing regeln. Es kocht damit jeder seine eigene Suppe. Infolge dessen könnte eine anvisierte bundesweite Vorauswahlliste dazu beitragen, ein einheitliches Prozedere zu regeln. Gegenwärtig fehlt es noch an bundeseinheitlichen Regelungen zur Auswahl des Insolvenzverwalters. Somit bestimmt folglich jedes Gericht selbst über die Anforderungsprofile an die Person des Insolvenzverwalters. Dies mag im Sinne individueller Anforderungen sinnvoll sein, führt aber auch zu Kleinteiligkeit. Standards in Eignung, Anforderungen, Ressourcen u.Ä. könnten dazu beitragen, ein gewisses Mindestprofil an Professionalität herbeizuführen. Auf der anderen Seite lassen bundesweite Listen nur wenig Spielraum für ein individuelles, aber häufig notwendiges "örtliches" Anforderungsprofil. Dieses wird bislang vom Richter bei Eröffnung, vom Rechtspfleger im Verfahren erstellt und überwacht. Ein Einheitslisting böte die Gefahr von Prätendenten, die gerade für das Verfahren vor Ort, für die Anforderungen vor Ort usw. nicht geeignet sind. Zwar besteht nach allgemeiner Anschauung kein Anspruch darauf, trotz Listing auch tatsächlich für das Verwalteramt bestellt zu werden. Das Unverständnis sowie Auseinandersetzungen dürften bei einer einheitlichen Listung jedoch vorprogrammiert sein. Auf dem 20. Deutschen Insolvenzrechtstag teilte der Bundesjustizminister mit, man wolle die Gerichte von dem Aufwand entlasten, der mit der Führung detaillierter Vorauswahllisten verbunden ist. Zum anderen wolle man einen institutionellen Rahmen schaffen, der sicherstellt, dass die Entscheidung über den Berufszugang, vor allem aber zum Entzug der Berufszulassung, fach- und sachgerecht erfolgt. Die Kernkompetenz soll danach der BRAK zugewiesen werden. Letzteres erscheint doch fragwürdig, da – zumindest gegenwärtig – nicht nur Rechtsanwälte zum Insolvenzverwalter zugelassen werden können. Eine Kompetenz der BRAK wäre also nur dann sinnvoll, wenn zukünftig nur noch Rechtsanwälte zum Insolvenzverwalter bestellt werden könnten – eine Berufsreform scheint daher ebenfalls weiter angedacht und wird zweifelsfrei für Unmut sorgen.

Auswahl des Insolvenzverwalters im Einzelfall

Entscheidend für ein jedes Insolvenzverfahren und insbesondere für die an einem Verwalteramt interessierten Personen ist jedoch die Auswahl des Insolvenzverwalters im Einzelfall, d.h. die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 56 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO, wer genau aus dem Kreis aller möglichen Kandidaten tatsächlich Zugang zur Verwaltertätigkeit im Einzelfall erhält.

Listenplatz

Hierzu fehlen klärende Worte des Bundesverfassungsgerichts. Für die Bewerber um ein Verwalteramt ist jedoch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts insoweit eine Verbesserung herbeigeführt worden, als der Weg auf einen Platz in einer Vorauswahlliste geklärt und wohl auch vereinfacht worden ist. Somit sind insbesondere diejenigen Bewerber, welche in der Vergangenheit von den Insolvenzgerichten generelle Ablehnungen erhalten haben, dem konkreten Zugang zu dem Beruf des Insolvenzverwalters scheinbar (etwas) nähergekommen. Die Aufnahme in eine Vorauswahlliste eines Insolvenzgerichts besagt allerdings noch nicht viel, da es stets um die konkrete Bestellung und nicht allein um einen Platz auf einer Liste geht.

Folgerungen für die konkrete Auswahlentscheidung

Aus der Begründung der Entscheidung können allerdings auch Folgerungen für die konkrete Auswahlentscheidung gezogen werden, soweit die entsprechenden Aussagen des Bundesverfassungsgerichts entsprechend klar und eindeutig sind.

Das Gericht hat in seiner Begründung insoweit zum einen hervorgehoben, dass

eine Verbindung zwischen der Aufnahme eines Kandidaten in eine Vorauswahlliste in keinem Zusammenhang mit der Auswahl eines Insolvenzverwalters steht,

nicht jeder, der in die Vorauswahlliste aufgenommen wird, auch später konkret als Insolvenzverwalter zu bestellen ist, und

die Aufnahme in die Vorauswahlliste nicht die Chancen eines Kandidaten auf Erhalt einer Bestellung erhöhen, sondern sicherstellen sollen, dass nicht bereits in dem Bereich der generellen Sichtung aller in Frage kommenden Kandidaten durch das Insolvenzgericht einige Personen ihrer Chancen durch eine ermessensfehlerhafte Ablehnung beraubt werden.

Die Entscheidung betrifft nach alledem nur den Bereich der Vorauswahl, welche zwangsläufig noch vor der Auswahl selbst steht und von dieser im Wesentlichen losgelöst ist.

Offizielle Bewerberliste

Es steht damit fest, dass die Insolvenzgerichte die Vorauswahllisten zu führen haben. Dies hatten bisher schon einige Insolvenzgerichte getan. Sie hatten die ihnen vorgelegten Bewerbungen zur Kenntnis genommen und registriert. Nunmehr ist eine offizielle Vorauswahlliste einzuführen. Wer dies im Einzelnen zu tun hat und wie diese Liste zu führen ist, dazu hat das BVerfG ebenfalls keine Vorgaben gemacht. Im Ergebnis dürfte es angesichts der Unabhängigkeit des Richters so sein, dass jeder Insolvenzrichter seine eigene Vorauswahlliste zu führen hat und damit auch darüber entscheiden wird, wer auf diese Vorauswahlliste kommt. Eine befriedigende Lösung kann hier insbesondere bei größeren Insolvenzgerichten mit mehreren Insolvenzrichtern nicht gesehen werden. Der häufige Wechsel von Insolvenzrichtern, der in der Praxis zu beobachten ist, führt hier zu besonderen Problemen, die nur die Praxis wird lösen können.

Kriterien für die Aufnahme in die Vorauswahlliste

In die Vorauswahlliste dürfte jede Person aufzunehmen sein, die den Anforderungen des § 56 Abs. 1 InsO grundsätzlich entspricht. Damit besteht die Gefahr, dass zu viele Bewerber in diese Listen aufgenommen werden. Dann hätten die Bewerber eine formale Position, die im Übrigen nicht "werthaltig" erscheint, weil zum einen der Insolvenzrichter ohnehin nur diejenigen Personen zu Insolvenzverwaltern bestellt, die er schon immer bestellt hat, und zum anderen die Vorauswahlliste keine echten Auswahlkriterien enthält; abgesehen von der Tatsache, dass für unterschiedliche Verfahrensarten unterschiedliche Listen geführt würden. Die Liste(n) wären in diesen Fällen keine echte Unterstützung bei der Auswahl für den Insolvenzrichter. Es scheint sich auch in Zukunft und angesichts der Entscheidung des BVerfG auf die allgemeinen Kriterien der Verwalterauswahl, allerdings desjenigen Verwalters, der auf der Vorauswahlliste steht, zuzuspitzen.

Chancengleichheit

Bewerber um die Aufnahme in die Vorauswahlliste haben einen Anspruch darauf, eine faire Chance auf Bestellung zum Insolvenzverwalter zu erhalten. Eine solche Chance hat ein künftiger Insolvenzverwalter nur bei willkürfreier Einbeziehung in die Auswahl vor der eigentlichen Bestellung, die aufgrund der im Vorauswahlverfahren geschaffenen Liste der generell geeigneten Bewerber getroffen wird. Wird aufgrund erhobener Daten eine Rangfolge der Bewerber zur Aufnahme in die Vorauswahlliste erstellt und soll die Position der jeweiligen Bewerber im Bewerberfeld der Vorauswahlliste Einfluss auf die Häufigkeit der Bestellung zum Insolvenzverwalter haben, ist besondere Vorsicht geboten, dass durch die Auswahl und Gewichtung der einzelnen Kriterien es nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung alteingesessener Insolvenzverwalter kommt. Die Anwendung von Punktesystemen birgt grundsätzlich die Problematik, dass Bewerber, welche die Aufnahmekriterien grundsätzlich erfüllen, je nach Anzahl der erreichten Punkte bessere oder schlechtere Chancen auf Bestellung zum Insolvenzverwalter haben. Durch Schaffung und Gewichtung von Einzelkriterien, die alteingesessene Bewerber am Ort des Insolvenzgerichts an Punktwerten bevorzugen, läuft ein solches Verfahren darauf hinaus, dass schon bei der Bildung der Vorauswahlliste ungleiche Chancen für die Bestellung im Einzelfall festgelegt werden (KG v. 14.05.2020 – 1 VA 17/17).

Kriterien für die Aufnahme in die Vorauswahlliste

Ein Bewerber kann mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen, dass die Auswahlkriterien, die der Insolvenzrichter bei der Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter heranzieht, rechtswidrig sind und ihn in seinen Rechten verletzen. Hierzu zählen auch Merkmale, die eine Strukturierung der Vorauswahlliste ermöglichen sollen. Ein Bewerber kann mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen, dass er bei rechtsfehlerfreier Anwendung der vom Insolvenzrichter für eine Vorauswahlliste herangezogenen Kriterien in einer für ihn günstigeren Weise auf der Vorauswahlliste zu führen ist. Eine Punktbewertung der Bewerber ist rechtswidrig, wenn die zugrundeliegenden Daten der einzelnen Bewerber auf einer unzureichenden Grundlage gewonnen werden oder nicht ausreichend vergleichbar sind. Der Insolvenzrichter kann für die Vorauswahlliste von Bewerbern grundsätzlich aus den von diesen abgeschlossenen Insolvenzverfahren Daten zu verfahrensbezogenen Merkmalen (wie etwa "Sanierung", "Insolvenzpläne", "Massesteigerung", "Ausschüttungsquote", "Verwaltungskosten", "Abweisung mangels Masse" und "Verfahrensdauer") erheben (BGH v. 13.01.2022 – IX AR (VZ) 1/20).