Besondere Verfahrensgrundsätze des Insolvenzverfahrens

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Gleichmäßige Gläubigerbefriedigung

Verlustgemeinschaft der Gläubiger

Seit jeher wird der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als tragendes und beherrschendes Prinzip im Insolvenzrecht angesehen. Mit diesem Grundsatz wird zum Ausdruck gebracht, dass im Fall der Insolvenz des Schuldners alle Gläubiger gemeinschaftlich befriedigt werden, dass sie gleichmäßig befriedigt werden ("Verlustgemeinschaft") und - falls die Masse nicht ausreicht - sie anteilig befriedigt werden. Deshalb legt § 1 Satz 1 InsO ausdrücklich die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger fest. Aus den Normen, die das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung enthalten (§§ 89 Abs. 1, 294 InsO), wird der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung hergeleitet. Die anteilige Befriedigung ist aus den §§ 38, 187, 188, 195 und 196 InsO abzuleiten.

Keine Gläubigerprivilegien

Die Geltung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung bedeutet den maßgeblichen Unterschied zwischen dem Insolvenzverfahren und der Einzelzwangsvollstreckung. In der Einzelzwangsvollstreckung hat der Gläubiger die berechtigte Hoffnung, voll auf seine Kosten zu kommen. Es gilt der Grundsatz der Priorität 804 ZPO), wenn man in Konkurrenz zu anderen Gläubigern tritt; eine anteilige Befriedigung ist nicht erwünscht. In der Einzelzwangsvollstreckung herrscht daher der Grundsatz "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" vor. Dies führt i.d.R. zu einem - in der InsO gerade nicht gewollten - Gläubigerwettstreit um die besten Plätze. Die Verwirklichung des Grundsatzes der anteiligen und gleichmäßigen Befriedigung setzt voraus, dass eine relevante Insolvenzmasse vorhanden ist, so dass es überhaupt zu einer sinnvollen Verteilung kommen kann.

Einstufung der zu berücksichtigenden Ansprüche

Die Insolvenzordnung enthält (ebenfalls) eine deutliche Abstufung von der Aussonderung 47 InsO) über die Absonderung (§§ 49 ff. InsO) und die Masseverbindlichkeiten (§§ 53 ff. InsO), den normalen Insolvenzgläubigern38 InsO) und schließlich den nachrangigen Insolvenzgläubigern39 InsO). Diese - seit jeher getroffene - Abstufung im Insolvenzrecht bedeutet keine Durchbrechung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, sondern ist durch den Gleichheitssatz gedeckt, der ebenso wie die Gleichbehandlung von gleichen Sachverhalten die Ungleichbehandlung von unterschiedlichen Sachverhalten verlangt. So wird auch in der Insolvenzordnung die Abstufung als Verwirklichung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung gesehen, denn es gilt, die zivilrechtliche Haftungsordnung auch im Fall der Insolvenz durchzusetzen (vgl. Teil 4). Wenn nach der zivilen Rechtsordnung einem Gläubiger besondere Rechte zugeordnet sind, muss dieser auch im Insolvenzverfahren eine Sonderstellung erfahren.