Aufsicht des Insolvenzgerichts

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Aufsichtsmaßnahmen

Aufforderung zur Stellungnahme

Als insolvenzgerichtliche Maßnahme kommt zunächst eine informative Darstellung der Meinung des Insolvenzgerichts und der Aufforderung an den Verwalter, hierzu Stellung zu nehmen, in Betracht. Sehr vorsichtig sollte man mit Anordnungen dahingehend sein, dass der Verwalter Beträge an die Masse zurückzuerstatten hat oder von bestimmten Vertragsabschlüssen Abstand nehmen soll (vgl. OLG Köln, KTS 1977, 56). Soweit derartige Anordnungen vom Rechtspfleger getroffen werden, ist hiergegen die befristete Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statthaft. Ansonsten sieht die InsO kein Beschwerderecht vor (vgl. OLG Zweibrücken, InVo 2001, 57). Umgekehrt ist auch die Ablehnung eines Antrags, gegen den Insolvenzverwalter gem. § 58 Abs. 2 InsO vorzugehen, unanfechtbar (vgl. LG Göttingen, NZI 2000, 491).

Im Rahmen der Aufsichtsmaßnahmen besteht zudem die Möglichkeit verfahrensleitender Maßnahmen durch das Gericht. Hierunter versteht man die Erteilung von Weisungen und Geboten sowie Verboten, die ihren Ursprung in einer Rechtsaufsicht haben und die als allererstes bei kleineren Verfehlungen in Betracht kommen. Sie leiten ihre Berechtigung aus § 58 Abs. 1 Satz 2 InsO und dem Grundsatz, dass das Gericht nur bei einer vollen Information eine Aufsicht sachgerecht führen kann, ab. In Betracht kommen Aufforderungen an ein bestimmtes Tun oder Unterlassen oder eine Mahnung/Erinnerung. In der Regel sind solche Sanktionen ausreichend, um den fehlgeleiteten Insolvenzverwalter wieder in das richtige Fahrwasser zu leiten.

Beispiele

Der Insolvenzverwalter kommt seiner Berichtspflicht nicht nach.

Der Insolvenzverwalter reagiert nicht auf Anfragen vom Gericht.

Der Insolvenzverwalter nimmt die Schlussverteilung nicht vor.

Der Insolvenzverwalter bringt das Verfahren nicht zum Abschluss: Es sind keine objektiven Gesichtspunkte ersichtlich, weshalb das Verfahren nicht abgeschlossen werden kann.

Bei diesen Beispielen kann eine "Aufforderung" zu Erledigung, eine Mahnung oder erste Erinnerung ausreichend sein. Das Auskunftsrecht des Insolvenzgerichts ist umfassend und bezieht sich dabei aber nicht nur auf die Rechtsaufsicht. Das Gericht kann dem Insolvenzverwalter - als "nächst härteren" Schritt - auch eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben abverlangen. Bei dieser eidesstattlichen Versicherung handelt es sich im Allgemeinen nicht um ein (dem Zwangsgeld vergleichbares) Zwangsmittel, dass also auch nicht wie ein solches (Sofortige Beschwerde) anfechtbar ist. Es besteht insoweit ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Auskunft.

Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters

Bei entsprechenden Fallgestaltungen kann auch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters angezeigt sein (vgl. Teil 5/1.4.4).

Festsetzung von Zwangsgeld

Kommt der Insolvenzverwalter den Anordnungen bzw. Aufforderungen des Gerichts nicht nach, kann gegen den Verwalter ein Zwangsgeld festgesetzt werden (§ 58 Abs. 2 InsO), das vorher angedroht werden muss.

Beispiel

Beispiel einer Zwangsgeldandrohung:

Amtsgericht

Beschluss vom …

In dem Insolvenzverfahren des Max Mustermann, wohnhaft …, wird Insolvenzverwalter Klaus Klausmann unter Androhung eines weiteren Zwangsgeldes i.H.v. … € aufgegeben, bis zum … die ihm obliegenden Pflichten zu erfüllen.

Gründe: …

Das Mindestmaß des einzelnen Zwangsgeldes beträgt 5 € (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB) und ist durch die Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 InsO begrenzt auf 25.000 €. Mehrere, für dieselbe Pflichtverletzung verhängte Zwangsgelder können zusammengerechnet den Betrag von 25.000 € überschreiten (BGH v. 14.04.2005 - IX ZB 76/04). Wurde ein Zwangsgeld festgesetzt, ist im selben Beschluss sofort das nächste Zwangsgeld - sinnvollerweise höher angesetzt - anzudrohen. Das Zwangsgeld dient als Druckmittel zur Durchsetzung der geschuldeten Tätigkeiten. Diese Möglichkeit bleibt auch dann gewahrt, wenn der Verwalter bereits nicht mehr im Amt ist, sich jedoch noch zu erfüllende Nebenaufgaben ergeben. Die Höhe des (einzelnen) Zwangsgeldes muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Pflichtverstoßes stehen. Maßgeblich ist daneben, um welche Vermögensmassen es einerseits geht, andererseits welche Größe das Verfahren vorweisen kann. In einem Großverfahren, bei dem eine voraussichtliche Millionenvergütung erwartet werden kann, wird ein Insolvenzverwalter kaum mit wenigen hundert Euro wirklich "sanktioniert" oder unter Druck gesetzt werden.

Beispiele

Der Verwalter kommt (erstmalig) seiner Berichtspflicht nicht nach: Die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach vorheriger Anhörung (über Zwangsgeld selbst und dessen beabsichtigte Höhe!) i.H.v. 100-500 € erscheint ausreichend.

Der Verwalter reicht trotz Ermahnung die Schlussrechnung nicht ein. Zwangsgeldandrohung und Festsetzung i.H.v. zunächst 100-500 € erscheint ausreichend.

Großverfahren: Der Verwalter reicht Belege - trotz vorheriger Ermahnung und ggf. bei Verdacht auf insolvenzzweckwidriges Verhalten - nicht ein: Zwangsgeldandrohung und Festsetzung i.H.v. 1.000 € (und aufwärts) denkbar.

Der Verwalter reagiert trotz Ermahnung und bereits erfolgter Festsetzung eines Zwangsgeldes (Beispiel: 500 €) nicht: Zwangsgeldandrohung und Festsetzung i.H.v. 2.000 € (und aufwärts) als "weitere Motivationshilfe" denkbar.

Erfüllungseinwand

Die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 58 Abs. 2 InsO ist aufzuheben, wenn der Insolvenzverwalter die nach § 58 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht geforderte Handlung vornimmt, bevor die Entscheidung über die Zwangsgeldfestsetzung rechtskräftig wird (BGH v. 01.12.2011 - IX ZB 190/11). Auch nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses kann aus diesem nicht mehr vollstreckt werden, wenn der Insolvenzverwalter die eingeforderte Handlung nachholt (BGH v. 11.12.2014 - IX ZB 42/14).

Anfechtung des Festsetzungsbeschlusses

Die Zwangsgeldfestsetzung ist gem. § 58 Abs. 2 Satz 3 InsO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Diese kann jedoch nicht mit der Unzulässigkeit der vom Insolvenzgericht getroffenen Aufsichtsanordnung angegriffen werden. Wendet sich der Insolvenzverwalter mit seinem Rechtsmittel gegen ein Zwangsgeld nach § 58 Abs. 2 Satz 1 InsO, kann er lediglich geltend machen, die Verletzung einer ihm vom Insolvenzgericht auferlegten Pflicht liege nicht vor, das festgesetzte Zwangsgeld sei ihm zuvor nicht angedroht worden, der festgesetzte Betrag gehe über den im Gesetz bestimmten Rahmen hinaus oder sei unverhältnismäßig. Eine darüber hinausgehende Überprüfung ist auch über § 11 Abs. 2 RPflG nicht möglich (BGH v. 07.04.2011 - IX ZB 170/10).

Entlassung des Verwalters

Im Extremfall ist das Insolvenzgericht befugt, den Verwalter aus seinem Amt zu entlassen (§ 59 Abs. 1 InsO). Die Entlassung des Verwalters von Amts wegen ist nur zulässig, wenn ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt (BGH v. 19.04.2012 - IX ZB 162/10; BGH v. 26.04.2012 - IX ZB 31/11). Ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund liegt vor, wenn eine Pflichtverletzung des Verwalters feststeht und es in Anbetracht der Erheblichkeit der Pflichtverletzung, insbesondere ihrer Auswirkungen auf den Verfahrensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten, sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter in seinem Amt zu belassen. Dies kommt zum einen bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, wie etwa bei Veruntreuung von Geldern, in Betracht. Zum anderen ist der Verwalter dann zu entlassen, wenn die Zwangsmittel des § 58 Abs. 2 InsO erfolglos geblieben sind und die ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung und die Rechtmäßigkeit des Verfahrens eine Ablösung im Interesse aller Verfahrensbeteiligten erfordern (LG Göttingen, NZI 2003, 499). Kommt der Insolvenzverwalter trotz zweimaliger rechtskräftiger Zwangsgeldfestsetzung durch das Insolvenzgericht seiner längst überfälligen Pflicht zur Rechnungslegung nicht nach, liegt ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund i.S.d. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO vor (BGH v. 12.01.2012 - IX ZB 157/11). Dagegen genügt eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Insolvenzgericht und dem Verwalter allein für dessen Entlassung selbst dann nicht, wenn ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheint (BGH v. 19.01.2012 - IX ZB 21/11). Ein wichtiger Grund kann sowohl ein einzelner schwerwiegender Pflichtverstoß des Insolvenzverwalters, darüber hinaus aber auch viele nicht so schwerwiegende Pflichtverstöße sein, die für sich allein die Entlassung noch nicht rechtfertigen können, in der Gesamtschau jedoch die Entlassung erfordern (LG Göttingen v. 15.02.2019 - 10 T 4/19).