Feststellungsverfahren

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Feststellung titulierter Forderungen

Feststellungslast

Lag für die bestrittene Forderung zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits ein Titel vor, so hat nicht der Gläubiger, sondern der Bestreitende den Widerspruch zu verfolgen (§ 179 Abs. 2 InsO). Er muss Feststellungsklage mit dem Antrag erheben, sein Widerspruch sei begründet. Diese kann letztlich aber nur dann erfolgreich erhoben werden, wenn zum einen noch formelle Möglichkeiten bestehen gegen einen Vollstreckungstitel vorzugehen und zum anderen materielle Einwendungen vorliegen, die nicht präkludiert sind. Die Annahme einer Titulierung der Forderung hängt nicht davon ab, dass der Gläubiger die Originalurkunde vorlegt (Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 179 Rdnr. 24).

Keine Erweiterung der Angriffsmöglichkeiten

Die Regelung des § 179 Abs. 2 InsO schafft keine Erweiterung der gesetzlichen Angriffsmöglichkeiten. Ein rechtskräftiges Urteil kann demnach nur mit der Nichtigkeits-, der Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO) oder mit der Klage gem. § 826 BGB beseitigt werden; in Betracht kommt auch eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO (etwa bei nachträglicher Erfüllung, § 362 BGB) oder eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO.

Klagebefugnis des Gläubigers

Nach ganz h.M. kann auch der Gläubiger der bestrittenen, titulierten Forderung Feststellungsklage gegen den Bestreitenden erheben, um endgültige Rechtsklarheit zu erlangen (vgl. BGH v. 22.04.1965 - VII ZR 15/65; OLG Bremen, KTS 1976, 240; OLG Dresden, NZI 1998). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Schuldner den Rechtsgrund einer Forderung bestreitet, die als titulierter Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet wurde (BGH v. 18.01.2007 - IX ZR 176/05). Ergibt sich in diesem Fall allerdings auch der Rechtsgrund aus einem vorliegenden Urteil, so erübrigt sich nach § 184 Abs. 2 InsO eine Klage des Gläubigers. Erhebt nämlich der Schuldner nicht binnen eines Monats seinerseits die Feststellungsklage, so gilt sein Widerspruch als nicht erhoben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über eine Forderung anhängig, der vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger widersprochen wurde, und verfolgt der die Forderung Bestreitende seinen Widerspruch nicht, ist der Gläubiger der Forderung zur Aufnahme des Rechtsstreits auch dann befugt, wenn für die Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorlag (BGH v. 31.10.2012 - III ZR 204/12).

Begriff der titulierten Forderung

Titel in diesem Sinne sind vollstreckbare Schuldtitel, also jede erdenkliche Grundlage für die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners (§ 179 Abs. 2 erste Alternative InsO). Titel in diesem Sinne ist auch ein als Feststellungsurteil ergangenes Endurteil (§ 179 Abs. 2 zweite Alternative InsO). Der Titel muss zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits vorgelegen haben, d.h. existent gewesen sein. Dabei genügt die mündliche Urteilsverkündung. Der Titel muss nicht dem Insolvenzverwalter "vorliegen".

Abgaben- und Gebührenbescheide

Ein im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits ergangener Steuerbescheid ist ein vollstreckbarer Schuldtitel i.S.d. § 179 Abs. 2 InsO (vgl. BFH v. 10.08.1993 - VII B 46/91). Liegt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine bestandskräftige Steuerfestsetzung und damit ein Schuldtitel i.S.d. § 179 Abs. 2 InsO vor, ist das Finanzamt im Fall des Bestreitens der Forderung durch den Insolvenzverwalter berechtigt, das Bestehen der angemeldeten Forderung durch Bescheid festzustellen, wenn der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch auf die von ihm behauptete Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung stützt (BFH v. 23.02.2010 - VII R 48/07).

Vorlage des Originaltitels

Bestreitet der Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger die titulierte Forderung mit der Begründung, dass nur eine Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung und nicht der Originaltitel vorgelegt wurde, so obliegt dem Gläubiger gem. § 179 Abs. 1 InsO die Betreibungslast, wie bei einer nicht titulierten Forderung. Jedoch gilt die im Feststellungsprozess erhobene Behauptung des Klägers, die Forderung stehe ihm zu, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, wenn der Bestreitende lediglich mit dem Hinweis auf das Fehlen des Originaltitels der Forderung entgegentritt (BGH v. 01.12.2005 - IX ZR 95/04). Der Widerspruch gegen eine bereits titulierte Forderung kann demnach nicht damit begründet werden, dass der Originaltitel nicht vorgelegt wurde. Diesen Originaltitel muss der Gläubiger allerdings dann vorlegen, wenn er gem. § 201 Abs. 2 InsO die Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs beantragt (siehe auch Teil 8/6).

Verstoß gegen Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO

Ist entgegen § 240 ZPO ein Titel erwirkt worden, so kann dieser die Wirkung des § 179 Abs. 2 InsO nicht auslösen. Andernfalls wäre die Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger durch eine verfahrensrechtliche Bevorzugung eines unter einem Verfahrensverstoß erlangten Titels gefährdet. Ein in dieser Weise ergangenes Urteil, welches auf Zahlung lautet, kann aber ausgelegt werden, und zwar als stattgebendes Feststellungsurteil. Es spricht nämlich alles für die Annahme, dass das Gericht in der Sache nicht anders entschieden hätte, wenn der gem. § 240 ZPO unterbrochene Rechtsstreit vom Gläubiger aufgenommen worden wäre und seinen Leistungsantrag auf Feststellung zur Tabelle umgestellt hätte (vgl. Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 180 Rdnr. 6).

Aufnahme eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens

Gegen ein noch nicht rechtskräftiges, vorläufig vollstreckbares Urteil oder einen noch nicht rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid können im Rahmen einer Aufnahme des nach § 240 ZPO unterbrochenen Verfahrens die statthaften Rechtsmittel erhoben werden (vgl. § 249 Abs. 1 ZPO). Der bestreitende Insolvenzverwalter hat demnach seinen Widerspruch gegen die mittels vorläufig vollstreckbaren Urteils titulierte Forderung durch Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs zu verfolgen.

Klage- und Aufnahmebefugnis des Schuldners

Der Schuldner kann zwar einer titulierten Forderung widersprechen. Ein solcher Widerspruch hindert jedoch nicht die Feststellung der Forderung (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO). Allerdings darf dem Gläubiger gem. § 201 Abs. 2 InsO kein vollstreckbarer Auszug aus der Insolvenztabelle erteilt werden. Jedoch kann der Gläubiger in diesem Fall weiterhin aus dem bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens erworbenen Titel die Zwangsvollstreckung betreiben (BGH v. 18.05.2006 - IX ZR 187/04; siehe auch Teil 8/4.5.2). Der Schuldner hat seinen Widerspruch binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, zu verfolgen und dies dem Gericht nachzuweisen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist gilt der Widerspruch als nicht erhoben (§ 184 Abs. 2 InsO). Der Widerspruch kann, soweit die Rechtskraft des vorliegenden Titels reicht, vom Schuldner nur mit den Mitteln verfolgt werden, mit denen nach den allgemeinen Vorschriften einem rechtskräftigen Titel begegnet werden kann (z.B. Vollstreckungsgegenklage). Eine negative Feststellungsklage ist nicht zulässig (KG v. 06.04.2011 - 23 W 7/11). Liegt nur ein vorläufig titulierter Anspruch vor, kann der Schuldner seinen Widerspruch durch Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens verfolgen (vgl. BGH v. 11.07.2013 - IX ZR 286/12).

Belehrung des Schuldners

Das Gericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin (§ 184 Abs. 2 Satz 3 InsO). Diese Folgen können jedoch nur in dem Umfang eintreten, in dem die bestrittene Forderung auch tituliert ist. Dies ist insbesondere in Hinblick auf Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von Bedeutung. Widerspricht der Schuldner einer solchen Forderung insgesamt oder nur deren Rechtsgrund, so gilt der Widerspruch nach fruchtlosem Fristablauf nur dann als nicht erhoben, wenn sich die Tatsache, dass dem Schuldner eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zur Last fällt, unmittelbar aus dem vorliegenden Titel ergibt (siehe auch Teil 8/1.1.9), wobei ein Vollstreckungsbescheid insoweit nicht ausreichend ist (vgl. BGH v. 18.01.2007 - IX ZR 176/05).

Berücksichtigung der titulierten Forderung bei der Erlösverteilung

Auch wenn der Widerspruch des Insolvenzverwalters, eines anderen Insolvenzgläubigers oder des Schuldners gegen eine titulierte Forderung nicht beseitigt wird, ist die Forderung nach § 189 Abs. 1 InsO in das Schlussverzeichnis aufzunehmen und bei der Verteilung zu berücksichtigen. Weist der bestreitende Gläubiger dem Insolvenzverwalter allerdings nach, dass er seinen erhobenen Widerspruch im ordentlichen Verfahren verfolgt, sind die betroffenen Beträge bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsklage entsprechend § 189 Abs. 2 InsO zurückzubehalten und gem. § 198 InsO zu hinterlegen. Ist der Verwalter selbst derjenige, der gegen eine titulierte Forderung Widerspruch erhoben hat, ist die Klage von diesem zu erheben. Der Widerspruch des Schuldners gegen eine (titulierte) Forderung hindert weder deren Feststellung zur Tabelle noch deren Berücksichtigung bei der Erlösverteilung.