Nachlassinsolvenzverfahren

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Eröffnungsantrag

Antragserfordernis

Soweit nicht die Überleitung eines Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Nachlassinsolvenzverfahren vorzunehmen ist, wird ein solches nur auf Antrag eröffnet.

Antragsberechtigung

Antragsberechtigte Personen

Jeder Erbe, ein Nachlassverwalter/Nachlasspfleger, der Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses obliegt, sowie jeder Nachlassgläubiger ist berechtigt, die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen (§ 317 Abs. 1 InsO). Der Vorerbe ist antragsberechtigt, solange er im Besitz des Nachlasses ist; mit Eintritt des Nacherbfalls wird der Nacherbe antragsberechtigt (§ 329 InsO). Der Erbe bringt den Nachweis seiner Berechtigung grundsätzlich durch Vorlage eines Erbscheins (vgl. LG Köln v. 24.06.2003 - 19 T 84/03). Ausreichend dürfte aber auch die Vorlage eines öffentlichen Testaments samt Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts sein. Testamentsvollstrecker sowie Nachlassverwalter weisen ihre Antragsberechtigung mittels der vom Nachlassgericht erteilten Legitimationsurkunden nach.

Kein Antragsrecht vor Annahme der Erbschaft

Vor der Annahme der Erbschaft besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Insolvenzeröffnung. Durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens würde die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des tatsächlichen Erben über den Nachlass entzogen (§ 81 Abs. 1 InsO) und der Nachlass mit den Kosten des Insolvenzverfahrens belastet (§ 53 InsO). Selbst wenn ein Insolvenzeröffnungsgrund (§ 320 InsO) vorliegt, kann die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens den Interessen des tatsächlichen Erben zuwiderlaufen. Ist der Nachlass zwar zahlungsunfähig, aber nicht überschuldet, kann es für den Erben wirtschaftlich sinnvoll sein, die fälligen Nachlassverbindlichkeiten aus seinem sonstigen Vermögen zu befriedigen, um das vorhandene Vermögen des Nachlasses zu erhalten oder es außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu verwerten. Aber auch bei Überschuldung des Nachlasses mag der Erbe - etwa aufgrund familiärer Verantwortung für die Verbindlichkeiten des Erblassers - bereit sein, von der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 1975 BGB keinen Gebrauch zu machen und die Nachlassverbindlichkeiten aus seinem sonstigen Vermögen zu bedienen. Nicht antragsberechtigt ist auch derjenige, der die Erbschaftsannahme angefochten hat, wobei es keine Rolle spielt, dass die Wirksamkeit der Anfechtung zweifelhaft ist (BGH v. 19.05.2011 - IX ZB 74/10).

Kein Antragsrecht der Erbengläubiger

Keine Antragsberechtigung haben solche Gläubiger, denen nur gegen den oder die Erben gerichtete Ansprüche zustehen.

Kein Antragsrecht des Nachlassgerichts

Das Nachlassgericht ist nicht berechtigt, einen Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen. Es hat gem. § 1960 Abs. 2 BGB lediglich die Aufgabe der Nachlasssicherung im engeren Sinne. Sobald darüber hinaus die Rechtsverteidigung zugunsten des Nachlasses erforderlich wird, muss das Nachlassgericht gem. § 1961 BGB zwingend einen Nachlasspfleger bestellen (BGH v. 18.02.2009 - IX ZB 29/09).

Erbschaftskäufer

Wer geltend macht, den Nachlass durch Erbschaftskauf oder ein ähnliches Rechtsgeschäft von dem Erben erworben zu haben (vgl. § 330 InsO), ist nur dann berechtigt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass zu beantragen, wenn das Rechtsgeschäft mit dem Erben wirksam ist, wenn also insbesondere die Form des § 2371 BGB gewahrt ist (OLG Köln v. 03.01.2000 - 2 W 279/99).

Antragspflicht

Antragspflicht des Erben

Hat der Erbe von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt, so hat er unverzüglich die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen (§ 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB). Verletzt er diese Verpflichtung, so ist er den Gläubigern gegenüber für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich (§ 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB). Vor der Annahme der Erbschaft besteht diese Verpflichtung nicht und damit auch kein Schadensersatzanspruch der Gläubiger (BGH, WM 2005, 237; BGH v. 19.05.2011 - IX ZB 74/10). Der zu ersetzende Schaden entspricht der Differenz zwischen dem Erlös, der bei rechtzeitiger Antragstellung hätte erzielt werden können, und dem Betrag, der im Rahmen der verspäteten Antragstellung ausbezahlt werden kann (Quotenschaden). Auch der Ersatz unnötig aufgewandter Prozesskosten kann ggf. verlangt werden. Die Verletzung der Antragspflicht führt jedoch nicht dazu, dass der Erbe die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung verliert. Er ist also weiterhin berechtigt, die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen.

Weitere Antragspflichten

Die Antragspflicht des Erben endet mit der Anordnung einer Nachlassverwaltung, womit die Antragspflicht den Nachlassverwalter trifft (§ 1985 Abs. 2 BGB). Eine Pflicht zur Antragstellung trifft nach § 2219 Abs. 1 BGB auch den Testamentsvollstrecker.

Antragsfrist

Gläubigerantrag

Der Antrag eines Nachlassgläubigers auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist unzulässig, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre verstrichen sind (§ 319 InsO). Die Vorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass die Trennung des Nachlasses vom Eigenvermögen des/der Erben - zurückbezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls - umso schwerer gelingen kann, je länger die Verschmelzung beider Vermögensmassen gedauert hat.

Erbenantrag

Für den Antrag des/der Erben gilt die Regelung des § 319 InsO nicht. Aufgrund der für den/die Erben bestehenden Antragspflicht ist dies jedoch entbehrlich.

Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrunds

Insolvenzgründe

Gründe für die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens sind die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO). Beantragt der Erbe, der Nachlassverwalter oder ein anderer Nachlasspfleger oder ein Testamentsvollstrecker die Verfahrenseröffnung, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit18 InsO) Eröffnungsgrund (§ 320 InsO). Die durch ein Nachlassinsolvenzverfahren ausgelösten Verfahrenskosten sind bei der Prüfung des Eröffnungsgrunds der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen (AG Göttingen v. 22.08.2002 - 71 IN 65/01).

Notwendige Glaubhaftmachung

Wird der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht von allen Miterben gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird. Ebenso hat jeder Nachlassgläubiger den Insolvenzgrund und auch seine Forderung gegen den Nachlass glaubhaft zu machen (§ 14 InsO). Für die Glaubhaftmachung gelten dieselben Grundsätze, die auch im Regel- bzw. Verbraucherinsolvenzverfahren zur Anwendung kommen (vgl. BGH v. 14.11.2005 - IX ZB 207/04). Der Eröffnungsantrag eines Nachlasspflegers ist zulässig, wenn er eine Überschuldung des Nachlasses in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist nicht erforderlich (BGH v. 12.07.2007 - IX ZB 82/04).

Vermögensverzeichnis

Beantragt der Alleinerbe oder alle Miterben die Verfahrenseröffnung, ist nach den Vorschriften der InsO regelmäßig keine Glaubhaftmachung des Insolvenzgrunds erforderlich. Gleichwohl wird zumindest eine grobe Auflistung von Aktiva und Passiva mit einer Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zu verlangen sein. Dies schon deshalb, weil der Antragsteller nur damit sein Rechtsschutzbedürfnis für die Antragstellung und damit die Zulässigkeit seines Antrags darstellen kann.

Antragskosten

Gerichtsgebühr

Das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens löst eine 0,5-Gebühr aus, die bei einem Gläubigerantrag mindestens 180 € beträgt (Nr. 2311 KV GKG) und dann vom Antragsteller zu begleichen ist, wenn das Verfahren nicht eröffnet wird. Sachverständigenauslagen, die dem Antragsteller zu Lasten fallen, werden regelmäßig nicht entstehen, da die Bestellung eines Sachverständigen durch das Insolvenzgericht wohl nur in Betracht kommt, wenn der Nachlass werthaltig ist und mit einer Verfahrenseröffnung zu rechnen ist. Ergibt sich allerdings aus dem erstellten Gutachten, dass kein Eröffnungsgrund vorliegt, und ist die Verfahrenseröffnung deshalb abzulehnen, dann trifft den Antragsteller die Kostentragungspflicht ungeachtet des werthaltigen Nachlasses.

Prozesskostenhilfe

Dem Erben kann für den Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens keine Prozesskostenhilfe gewährt werden (vgl. LG Kassel v. 25.06.2014 - 3 T 170/14; LG Neuruppin v. 03.08.2004 - 5 T 219/04; LG Coburg v. 19.10.2016 - 41 T 109/16; AG Hannover v. 21.09.2020 - 904 IN 271/20 - 1; a.A. LG Göttingen v. 10.10.2000 - 10 T 128/00).