Besondere Verfahrensgrundsätze des Insolvenzverfahrens

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Gläubigerautonomie (Beteiligtenautonomie)

Verlustgemeinschaft der Insolvenzgläubiger

Der Grundsatz der Gläubigerautonomie steht im Mittelpunkt des Insolvenzrechts. Weil das einheitliche Insolvenzverfahren wesentlich größere Interessengegensätze zu bewältigen hat als das früher geltende Konkurs- und Vergleichsrecht, hat die Gläubigerautonomie eine überragende Bedeutung. Nach diesem Grundsatz sollen die Gläubiger als "Herren des Verfahrens" über Wohl und Wehe des Verfahrens entscheiden und die prägende Abwicklungsform des Verfahrens wählen können.

Gesicherte und ungesicherte Gläubiger

Die wesentlichen Entscheidungen im Ablauf des Insolvenzverfahrens sind nicht umkehrbar. Insbesondere diejenigen Entscheidungen, die einen Einfluss auf die Dauer des Verfahrens haben, tangieren die Rechte der Beteiligten unterschiedlich. Ungesicherte und erst recht nachrangige Gläubiger sowie der Schuldner und an ihm beteiligte Personen, die in der Insolvenz alles zu verlieren haben, durch eine Sanierung allerdings auch viel gewinnen können, werden in der Regel daran interessiert sein, auch noch die geringste Chance zur Sanierung in Anspruch zu nehmen. Gesicherte Gläubiger hingegen, die bessere Chancen zur Haftungsverwirklichung sehen, werden nicht selten eher an einem baldigen Liquiditätszufluss durch Einzelverwertung ihre Sicherheiten interessiert sein.

Insolvenzplan

Die Beteiligtenautonomie wird verwirklicht durch die Gläubigerversammlung (§§ 74 ff. InsO) und den Gläubigerausschuss (§§ 67 ff. InsO). Das zentrale Mittel zur autonomen Abwicklung der Insolvenzen des Schuldners ist der Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO; vgl. Teil 9). Die Befriedigung der Absonderungsberechtigten und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können in einen Insolvenzplan abweichend von Vorschriften dieses Gesetzes geregelt werden (§ 217 InsO). Durch einen Insolvenzplan kann - völlig gläubigerbestimmt und gestalterisch im Rahmen zulässiger Regelungen frei wählbar - abweichend von den normalen Bestimmungen nach dem mehrheitlichen Willen der Gläubiger eine andere Abwicklungsart konzipiert werden. Der Gesetzgeber "schenkt" hier den Gläubigern die Freizügigkeit, das Verfahren nach eigenem Wunsch anders zu gestalten. Dieses "Mehr" an Gläubigerautonomie spiegelt sich beim Plan z.B. auch im Prüfungsumfang der Schlussrechnung wider. Durch einen bestätigten Insolvenzplan kann nämlich sinngemäß auch der Verzicht auf die Schlussrechnungslegung vereinbart werden, § 66 Abs. 1 Satz 2 InsO. Dieser Verzicht wiederum kann die interne Rechnungslegungspflicht des Insolvenzverwalters und die Prüfungspflicht des Gerichts bis auf null reduzieren (BayObLG, Beschl. v. 07.09.2022 - 102 VA 192/21). Zur Vorlage eines Plans sind Insolvenzverwalter und der Schuldner berechtigt (§ 218 Abs. 1 InsO). Aber auch die Gläubiger können, vertreten durch die Gläubigerversammlung, den Insolvenzverwalter beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten und vorzulegen (§ 218 Abs. 2 InsO). Die Entscheidung über die Annahme des Plans wiederum liegt in allen Fällen bei der Gläubigerversammlung. Einschränkungen der Entscheidungsbefugnisse des Gläubigerausschusses sind in den §§ 231 und 145 InsO zu sehen. Die Zustimmung des Schuldners zum Insolvenzplan ist allerdings nicht zwingend erforderlich (§ 247 Abs. 2 InsO).