Das Nachlassinsolvenzverfahren dient in erster Linie dazu, die persönliche Haftung des/der Erben für Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1975 BGB auszuschließen, soweit nicht bereits aufgrund Inventarsäumnis (§ 1994 BGB), Inventaruntreue (§ 2005 BGB) oder durch Verzicht auf die Beschränkung der Erbenhaftung die unbeschränkbare Haftung des/der Erben eingetreten ist. Das Nachlassinsolvenzverfahren stellt jedoch nur eine von mehreren Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung des Erben dar. So kann der Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten gegenüber einzelnen Gläubigern z.B. auch mittels des Aufgebotsverfahrens (§ 1973 BGB) beschränken. Als Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne gelten gem. § 1967 Abs. 2 BGB neben den Erblasserschulden auch die Erbfallschulden, d.h. diejenigen Verbindlichkeiten, die sich aufgrund des Erbfalls ergeben. Dazu gehören u.a. die Erfüllungsansprüche der Pflichtteilsberechtigten und der Vermächtnisnehmer. Auch die Beerdigungskosten, die der Erbe gem. § 1968 BGB zu tragen hat, zählen zu den Nachlassverbindlichkeiten (OLG München, NJW 1974,
Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit. Sie erfüllt alle Voraussetzungen einer Erbfallschuld, denn sie entsteht allein aus Anlass des Erbfalls und ohne Zutun des Erben. Unerheblich ist, dass die Erbschaftsteuer gegen den Erben persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen festgesetzt wird. Dadurch unterscheidet sich die Erbschaftsteuer nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die in der Person des Erben entstehen und die im Fall der Nachlassinsolvenz ebenfalls als Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen sind (BFH v. 05.04.2017 - II R 30/15 ).
Während der Erbe vor der Annahme der Erbschaft durch die Vorschrift des § 1958 BGB vor der gerichtlichen Inanspruchnahme durch Nachlassgläubiger geschützt wird, können Nachlassgläubiger nach der Erklärung der Annahme oder dem Ablauf der Ausschlagungsfrist (§ 1943 zweiter Halbsatz BGB) ihre Forderungen gegen den Erben auch dann nach § 1967 Abs. 1 BGB durchsetzen, wenn dieser behauptet, die Annahme oder die Versäumung der Ausschlagungsfrist (§ 1956 BGB) angefochten zu haben. Auch die Regelung des § 778 Abs. 1 ZPO, wonach die Zwangsvollstreckung durch Nachlassgläubiger in das sonstige Vermögen des Erben bis zur Annahme der Erbschaft unzulässig ist, schützt den Erben nicht mehr, wenn dieser die Ausschlagungsfrist hat verstreichen lassen.
Der als Erbe in Anspruch Genommene kann für den Fall seiner Verurteilung lediglich nach § 780 Abs. 1 ZPO den Vorbehalt beschränkter Erbenhaftung erwirken. Zwar kann ein solcher Vorbehalt unabhängig davon erfolgen, ob bereits die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet oder auch nur beantragt worden ist, weil mit dem Vorbehalt noch keine Sachentscheidung über die Haftungsbeschränkung ergeht (vgl. BGH v. 21.03.1955 -
Der Erbe, welcher die Annahme der Erbschaft angefochten hat, kann sich jedoch vor der Haftung mit seinem außerhalb des Nachlasses bestehenden Vermögen für Nachlassverbindlichkeiten schützen, indem er die Anordnung der Nachlasspflegschaft beantragt und auf eine Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch den Nachlasspfleger hinwirkt (BGH v. 19.05.2011 - IX ZB 74/10 ).
Neben der Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens auf Antrag des/der Erben oder eines Nachlassgläubigers stellt die Überleitung eines Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Nachlassinsolvenzverfahrens einen weiteren Anwendungsbereich dieses besonderen Verfahrens dar. Eine solche von Amts wegen vorzunehmende Überleitung wird dann notwendig, wenn der Schuldner während des laufenden Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens verstirbt (vgl. BGH v. 26.09.2013 - IX ZR 3/13 ).
Tritt der Tod des Schuldners dagegen während der Wohlverhaltensperiode ein, erfolgt keine Überleitung in ein Nachlassinsolvenzverfahren. Vielmehr erledigt sich in diesem Fall die Wohlverhaltensphase, da das damit verbundene Ziel der Restschuldbefreiung für einen Nachlass nicht in Betracht kommt.
Verstirbt der Schuldner, nachdem er einen Eigenantrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens gestellt hat und bevor über diesen Antrag entschieden wurde, bewirkt der Tod des Schuldners ohne weiteres eine Überleitung des Eröffnungsverfahrens vom Regel- in das Nachlassinsolvenzverfahren (BGH v. 22.01.2004 - IX ZR 39/03).
Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte (§ 315 Satz 1 InsO). Lag der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Erblassers an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt (§ 315 Satz 2 InsO). Dies gilt zumindest dann, wenn die selbständige wirtschaftliche Tätigkeit des Erblassers nicht allzu früh vor seinem Ableben aufgegeben wurde (HK-InsO/Marotzke, § 315 Rdnr. 3).
Auf das Insolvenzverfahren, das gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO über einen Nachlass angeordnet werden kann, finden die Vorschriften der §§ 314 - 331 InsO Anwendung. Soweit darin keine Besonderheiten enthalten sind, gelten die allgemeinen Bestimmungen. Ausgeschlossen ist die Restschuldbefreiung sowie das Planverfahren. Ebenso ausgeschlossen ist die Möglichkeit, über eine Erbengemeinschaft als solche ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, da die Erbengemeinschaft nicht insolvenzfähig ist (vgl. AG Duisburg v. 04.08.2003 - 63 IN 170/03).
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