Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 1. Dezember 2016 werden geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
I
Der Kläger, ein bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der J. UG, begehrt zur Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen vom zuständigen Finanzamt steuerrelevante Informationen über die Insolvenzschuldnerin.
Im Juni 2015 beantragte der Kläger unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Auskünfte über angedrohte Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts für die Geltendmachung von Steuerrückständen und die daraufhin erfolgten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin. Den Antrag lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf die fehlende Entbindung von der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses durch die Insolvenzschuldnerin ab.
Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen Erfolg. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. September 2017 zurückgewiesen. Der Informationszugangsanspruch werde weder durch bereichsspezifische insolvenz- oder steuerrechtliche Regelungen verdrängt noch stünden ihm Ausschlussgründe entgegen. Zwar unterfielen die streitbefangenen Informationen dem Schutzbereich des Steuergeheimnisses, sie seien dem Insolvenzverwalter gegenüber aber nicht geheimhaltungsbedürftig. Die Verfügungsbefugnis über die steuerlichen Daten sei im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergegangen, so dass er selbst das Finanzamt von der Beachtung des Steuergeheimnisses entbinden könne.
Der Beklagte hat Revision eingelegt.
Während des Revisionsverfahrens ist im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung auch die Abgabenordnung geändert worden. Insbesondere enthält diese nun verschiedene Ausschlussgründe für dem Grunde nach bestehende Ansprüche auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Wegen der insoweit aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zu Art. 23 Abs. 1 Buchst. e und j DSGVO hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Der Gerichtshof (Az.
Der Beklagte trägt nach Fortgang des Revisionsverfahrens vor: Die Regelungen der § 32e und § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO stünden dem Informationszugangsanspruch des Klägers entgegen. Bei § 32e AO handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Deswegen lägen bei dem Informationsbegehren eines Dritten die persönlichen Voraussetzungen nach Art. 15 DSGVO nicht vor. Selbst wenn man nicht von einer Rechtsgrundverweisung ausgehe, sei der Anspruch gemäß § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen. Der Informationszugang beeinträchtige den Beklagten als Rechtsträger des Finanzamts in der Verteidigung gegen mögliche Insolvenzanfechtungsansprüche. § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO sei im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung eine zulässige, von Art. 23 Abs. 1 DSGVO gedeckte Beschränkung des Auskunftsanspruchs.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 1. Dezember 2016, soweit der Klage stattgegeben worden ist, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Darüber hinaus führt er aus: Der Insolvenzverwalter sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht Dritter im Sinne der Datenschutzbestimmungen und der Abgabenordnung, sondern trete als Partei kraft Amtes als natürliche Person im Insolvenzverfahren an die Stelle des Insolvenzschuldners.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision des Beklagten und führt zur Begründung aus: Der Gesetzgeber habe bewusst bereichsspezifische Einschränkungen des Auskunftsrechts geschaffen, um die Finanzbehörden im Interesse der gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und der Sicherung des Steueraufkommens bei zivilrechtlichen Forderungen nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere Schuldner oder Gläubiger zu stellen. Soweit den betroffenen Personen i. S. d. Art. 15 DSGVO nach § 32c Abs.
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen revisibles Recht (§
1. Der Informationszugang zu den Landesfinanzbehörden ergibt sich aus § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW) vom 27. November 2001 (GV. NRW. S. 806), der jeder natürlichen Person einen Anspruch auf Zugang zu den bei den Landesbehörden und sonstigen Stellen vorhandenen amtlichen Informationen nach Maßgabe des Gesetzes einräumt. Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen enthält für die Finanzverwaltung keine Beschränkungen oder Ausschlusstatbestände.
Die im Verwaltungsverfahren und in den Vorinstanzen behandelte Frage, ob dem Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters das Steuergeheimnis nach § 30 AO entgegensteht, hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteilen vom 26. April 2018 - 7 C 3.16, 7 C 4.16, 7 C 5.16 und 7 C 6.16 - (DStR 2018, 2441) verneint. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO erstreckt sich auf Informationen, die der Prüfung von Insolvenzansprüchen dienen. Der Insolvenzverwalter kann über alle Geheimnisse des Insolvenzschuldners verfügen, die für die Insolvenzanfechtung von Belang sind. Das Steuergeheimnis wird nicht verletzt, wenn solche Informationen dem Insolvenzverwalter zugänglich gemacht werden; für ihn gilt insoweit nichts anderes als für den steuerpflichtigen Insolvenzschuldner selbst. Die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen waren daher nach der im Entscheidungszeitpunkt der Vorinstanzen maßgeblichen Rechtslage dem Insolvenzverwalter gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet.
2. Dem Informationszugangsanspruch stehen aber nunmehr § 32e, § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO entgegen. Beide Vorschriften sind durch Art.
a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers zum Erlass der § 32e, § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO folgt, soweit es - wie hier - um Ansprüche gegenüber Behörden der Länder geht, aus Art.
b) Entgegen der Auffassung des Beklagten scheidet eine Auslegung des § 32e Satz 1 AO als Rechtsgrundverweisung aus. Sie hätte zur Folge, dass die darin angeordnete entsprechende Anwendung der Art. 12 bis 15 DSGVO i. V. m. §§ 32a bis 32d AO auf Informationsansprüche von Dritten mangels Betroffenenstellung stets zu einem Anspruchsausschluss führen und folglich ins Leere laufen würde.
§ 32e AO ersetzt nicht die Ansprüche aus den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder, er modifiziert sie lediglich. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, der das Bestehen eines solchen Anspruchs voraussetzt und lediglich auf der Rechtsfolgenseite die Grenzen des Anspruchs regelt. Der Informationszugangsanspruch folgt daher weiterhin aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Aus dem jeweils einschlägigen Informationsfreiheitsgesetz ergeben sich die Voraussetzungen des Anspruchs sowie gegebenenfalls Einschränkungen, die weitergehen können als die von § 32e Satz 1 AO in Bezug genommenen. Die steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung kommen nicht anstelle, sondern neben solchen der Informationsfreiheitsgesetze und der Datenschutz-Grundverordnung zur Anwendung (BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2019 -
Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht dringen deshalb nicht mit ihrem Vorbringen durch, bei dem Auskunftsbegehren des Klägers lägen schon nicht die persönlichen Voraussetzungen des Art. 15 DSGVO vor und der Anspruch sei deshalb ausgeschlossen. Es trifft zwar zu, dass der Kläger nicht die von der Datenverarbeitung betroffene Person i. S. d. Art. 15 DSGVO ist und den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch der unmittelbar betroffenen Insolvenzschuldnerin nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO auch nicht als Insolvenzverwalter im eigenen Namen geltend machen kann. Denn die datenschutzrechtliche Betroffenenstellung ist als höchstpersönliches Recht des Schuldners nicht Teil der Insolvenzmasse und geht nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO in das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters über (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 16 ff. und Beschluss vom 4. Juli 2019 -
c) Gemäß dem von § 32e AO für entsprechend anwendbar erklärten § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO besteht das Auskunftsrecht der betroffenen Person aus Art. 15 DSGVO gegenüber einer Finanzbehörde nicht, soweit die Auskunftserteilung den Rechtsträger der Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche i. S. d. Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO beeinträchtigen würde; Auskunftspflichten der Finanzbehörde nach dem Zivilrecht bleiben unberührt.
Art. 23 DSGVO enthält einen Katalog von Öffnungsklauseln, die dem Bundes- und den Landesgesetzgebern die Befugnis geben, aus den dort aufgezählten Gründen u.a. die Betroffenenrechte und die Pflichten des Verantwortlichen aus Art. 12 bis 22 DSGVO einzuschränken. § 32c AO enthält auf Grundlage von Art. 23 Abs. 1 DSGVO bereichsspezifische Einschränkungen des Auskunftsrechts der betroffenen Person aus Art. 15 DSGVO. § 32c Abs.
§ 32c Abs. 1 Nr. 2 AO zielt auf eine Korrektur der "insolvenzverwalterfreundlichen" Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Informationszugangsbegehren nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder, wie sie auch hier in den Entscheidungen der Vorinstanzen zum Ausdruck gekommen ist. Danach erstreckt sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO auch auf vom Steuergeheimnis erfasste Informationen, die der Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen nach den §§ 129 ff. InsO gegen die Finanzbehörde dienen sollen. Als Konsequenz dieser Rechtsprechung konnten die Insolvenzverwalter von den Finanzbehörden Zugang zu steuerlichen Daten der Insolvenzschuldner verlangen, durch die sie regelmäßig erst in die Lage versetzt wurden, Insolvenzanfechtungsansprüche gegen die Finanzbehörde zu prüfen. Gegenüber anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners ist der Insolvenzverwalter dagegen auf zivilrechtliche Auskunftsansprüche beschränkt, die § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ausdrücklich unberührt lässt. Die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche hängen aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ab, dass ein Insolvenzanfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht (vgl. BGH, Urteile vom 13. August 2009 - IX ZR 58/06 - WM 2009,
d) Die Anspruchseinschränkung gemäß § 32e i. V. m. § 32 c Abs. 1 Nr. 2 AO findet in Art. 23 DSGVO eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage. Zwar ergibt sich aus dem Unionsrecht keine Pflicht, innerstaatliche Normen auch außerhalb seines Anwendungsbereichs unionsrechtskonform auszulegen. Vorliegend ergibt sich diese Pflicht jedoch aus nationalem Recht. Aus der Absicht des Gesetzgebers, im Steuerverfahren unabhängig von der Rechtsform des Betroffenen einheitliche Regelungen Platz greifen zu lassen (vgl. § 2a Abs. 3 und 5 AO; BT-Drs. 18/12611 S. 76), folgt die Pflicht zu einer einheitlichen unionsrechtskonformen Auslegung. Anhaltspunkte dafür, dass das Regelungsziel der Schaffung einheitlicher verfahrensrechtlicher Regelungen für alle Betroffenen sich auf unionsrechtlich determinierte Steuern beschränke, sind nicht ersichtlich. Eine gespaltene Auslegung der Neuregelungen in der Abgabenordnung für dem Unionsrecht unterfallende Sachverhalte einerseits und diesem nicht unterfallende Sachverhalte andererseits scheidet aus (BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 -
aa) Die Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO hat der Senat nach der abschlägigen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) durch Urteil vom 10. Dezember 2020 -
(1) Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO steht einer nationalen Regelung, die Beschränkungen von Betroffenenrechten und von Informationspflichten im Interesse der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche von Behörden vorsieht, nicht entgegen. Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO sprechen dafür, dass auf Grundlage der Vorschrift Beschränkungen im Interesse von Behörden möglich sind. Die Entstehungsgeschichte und die Systematik streiten nicht dagegen.
Der Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO richtet sich auf die "Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche" und damit auf den Schutz der Beteiligten im Zivilverfahren, ohne zwischen Privatrechtssubjekten und juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu unterscheiden. Verfahrensbeteiligter im Zivilverfahren kann auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein. Im Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 DSGVO und im einschlägigen 73. Erwägungsgrund spricht nichts dafür, dass vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift zivilrechtliche Klagen, an denen Behörden als Kläger oder Beklagte beteiligt sind, ausgenommen sein sollen. Auch wenn zivilrechtliche Ansprüche zumeist zwischen Privatpersonen aus privaten Interessen geltend gemacht werden, ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, dass der Unionsgesetzgeber zivilrechtliche Verfahren, an denen Behörden als Parteien beteiligt sind, hätte anders behandeln wollen (so auch Schlussanträge des Generalanwalts Bobek vom 3. September 2020 -
Die Zielsetzung des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO spricht ebenfalls dafür, dass es sich um eine Öffnungsklausel auch zugunsten von Behörden handelt. Die Öffnungsklausel garantiert die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche nach nationalem Recht und trägt damit der besonderen Bedeutung der Grundsätze des nationalen Vertrags- und Verfahrensrechts Rechnung (vgl. Stender-Vorwachs/Wolff, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1. November 2021, Art. 23 DSGVO Rn. 52). Es ist nicht ersichtlich, warum diese Verfahrensgrundsätze bei einer Beteiligung von Behörden nicht mehr schutzwürdig sein sollten. Laut den Ausführungen des Generalanwalts liegt das Ziel der Regelung in Buchstabe j darin, dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, bestimmten Regelungen über Auskunfts- und Offenlegungspflichten zur Beweisermittlung im Zivilverfahren im Fall eines Widerspruchs den Vorrang vor den allgemeinen, sich aus dem Datenschutz ergebenden Regelungen einzuräumen. Die im nationalen Recht möglicherweise bestehenden besonderen Vorschriften über Auskunfts- und Offenlegungspflichten zur Beweisermittlung sollten von den datenschutzrechtlichen Regelungen unberührt bleiben. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob die Parteien Subjekte des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts sind und ob der Klage ein privates oder öffentliches Interesse zugrunde liege (Schlussanträge des Generalanwalts Bobek vom 3. September 2020 -
Die Entstehungsgeschichte der Norm führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Öffnungsklausel entspricht weitgehend dem Katalog des Art.
(2) Die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche wird von der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO erfasst. Im Unterschied zu Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO, der lediglich Beschränkungen zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche vorsieht, nennt § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO neben der "Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche" auch die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche. Zwar bezieht sich der von der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO gebrauchte Begriff "Durchsetzung" nach herkömmlichem Verständnis auf die Sphäre des Anspruchsinhabers und wird in erster Linie als Synonym für die Vollziehung oder Vollstreckung eines dem Grunde nach bereits feststehenden Anspruchs verwendet. Die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche lässt sich daher nicht ohne Weiteres unter den Begriff "Durchsetzung" subsumieren. Es ist aber eine erweiternde Auslegung des Merkmals geboten. Eine enge Sichtweise würde das prozessuale Gleichgewicht zwischen den Parteien des gerichtlichen Verfahrens stören, indem sie allein den Kläger bevorzugt. Wenn nicht in die zivilverfahrensrechtliche Position der Parteien eingegriffen werden soll, muss dies sowohl für die Geltendmachung als auch für die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche gelten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum im Zivilverfahren die Geltendmachung von Ansprüchen besonderen Schutz genießen sollte, die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche dagegen nicht. Die besonderen nationalen Regelungen über Auskunfts- und Offenlegungspflichten zur Beweisermittlung im Zivilverfahren können - je nach Beweislastverteilung - sowohl dem Anspruchsteller als auch dem Anspruchsgegner zugutekommen. Die von Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO beabsichtigte Sicherung der zivilverfahrensrechtlichen Position der Parteien nach nationalem Recht legt nahe, dass die "Durchsetzung" zivilrechtlicher Ansprüche als Oberbegriff jede Rechtsausübung umfasst, die einen Anspruch sowohl in aktiver (Geltendmachung) als auch in passiver (Verteidigung) Hinsicht sichern soll. § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ist daher auch insoweit von Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO gedeckt, als er das Auskunftsrecht zur Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche ausschließt. Der Begriff "Durchsetzung" umfasst auch denjenigen der "Verteidigung" gegen den vom Kläger erhobenen Anspruch. Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass andere Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung wie Art. 18 Abs. 1 und 2 und Art. 21 Abs. 1 die Formulierung "Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung" eines Rechts im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gebrauchen. In diesen Bestimmungen wird nicht zugleich der Begriff "Durchsetzung" verwendet; sie eignen sich somit nicht für einen sinnvollen Vergleich (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek vom 3. September 2020 -
(3) § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ist zudem nach seinem Sinn und Zweck dahingehend zu verstehen, dass die Formulierung "geltend gemacht" auch "noch geltend zu machende" bzw. "mögliche" Ansprüche umfasst. Dieses Verständnis ist von der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO gedeckt. Wenn sich Buchstabe j auf den Schutz der zivilverfahrensrechtlichen Position der Parteien nach den innerstaatlichen Rechtsordnungen richtet, kann dies nicht erst ab dem Zeitpunkt gelten, in dem eine Partei bereits hinreichende Informationen erlangt hat und dadurch in die Lage versetzt wird, ihren Anspruch geltend zu machen. Wenn der Auskunftsanspruch erst nach Geltendmachung des Insolvenzanfechtungsanspruchs ausgeschlossen würde, liefe die Norm weitgehend leer, weil der Insolvenzverwalter die erforderlichen Daten schon vorher erlangt hätte (BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 -
bb) § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO kann außerdem auch auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO gestützt werden. Die im Vorlagebeschluss geäußerten Bedenken, die begehrten steuerlichen Informationen seien nicht für die materiell-rechtlichen Steueransprüche, sondern in erster Linie für die insolvenzrechtlich relevanten Zahlungsflüsse als gegebenenfalls anfechtbare Rechtshandlungen i. S. v. § 129 Abs. 1 InsO von Interesse, weshalb der gegen die Finanzbehörde gerichtete Anspruch des Insolvenzverwalters kein solcher "aus dem Steuerverhältnis" sei (BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 -
Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO betrifft den Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, insbesondere eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs-, Haushalts- und Steuerbereich sowie im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Sicherheit. Sofern das verfolgte Interesse der Allgemeinheit dient und zu einer Regelung oder einem Grundsatz des Unionsrechts nicht in Widerspruch steht, fällt es unter Buchstabe e (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek vom 3. September 2020 -
§ 32c Abs. 1 Nr. 2 AO zielt auf eine gleichmäßige gesetzmäßige Besteuerung und die Sicherung des Steueraufkommens. Um diese Ziele zu erreichen, sollen Finanzbehörden bei zivilrechtlichen Forderungen nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere Schuldner oder Gläubiger gestellt werden (BT-Drs. 18/12611 S. 88). Dass die Ziele einer gleichmäßigen gesetzmäßigen Besteuerung und der Sicherung des Steueraufkommens wichtige Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses darstellen, steht außer Frage. Sie sind auch in der Unionsrechtsordnung als legitime Ziele anerkannt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek vom 3. September 2020 -
Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung und die sich daran notwendigerweise anknüpfende erschwerte Durchsetzung steuerlicher Ansprüche im Insolvenzverfahren wirkt sich unmittelbar auf die Gewährleistung einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und die Sicherung des Steueraufkommens aus. Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung hat zur Konsequenz, dass der Gläubiger seine wieder offene Forderung zur Insolvenztabelle anmelden muss. Die Gläubigerbefriedigung erfolgt dann nach der Insolvenzquote, die regelmäßig nur einen Bruchteil der angemeldeten Forderung abdeckt und Null betragen kann. Erhielte der Insolvenzverwalter auf Grundlage eines Informationszugangsrechts von den Finanzämtern Informationen, auf die er bei anderen Gläubigern nicht zugreifen könnte, würde ihm die Insolvenzanfechtung gegen Finanzbehörden erleichtert. Die Finanzbehörden wären insoweit schlechter gestellt als private Gläubiger. Aufgrund der erleichterten Insolvenzanfechtung infolge entsprechender Informationszugangsrechte liefen die Finanzbehörden Gefahr, im Ergebnis größere Beträge in die Insolvenzmasse rückzahlen zu müssen als andere Gläubiger. Nicht die Insolvenzanfechtung an sich stellt sich dabei als problematisch dar, sondern die Erleichterung der prozessualen Durchsetzung des Rückgewähranspruchs gegen öffentliche Stellen (vgl. Cranshaw, DZWIR 2021, 361 <373>).
3. Die Urteile beruhen danach auf einer Verletzung von § 32e und § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (vgl. §
Die Kostenentscheidung folgt aus §
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG auf 5 000 € festgesetzt.
Verkündet am 25. Februar 2022