Der Antrag eines Gläubigers ist unzulässig, wenn dieser kein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung hat (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). Maßstab sind die in § 1 InsO genannten Verfahrensziele. Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. An diesen Verfahrenszielen muss sich jeder Insolvenzantrag messen lassen (BGH v. 07.05.2020 - IX ZB 84/19).
Das Fehlen des Rechtsschutzinteresses ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Ein Richter, der bei verwickelter und komplizierter Vermögenslage des Schuldners das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen ohne weitere Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses für den Antragsteller eröffnet, obwohl der Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers bestritten hatte, verletzt dadurch die ihm dem Schuldner gegenüber obliegenden Amtspflichten. Es haftet insoweit das beklagte Land nach § 839 BGB und Art.
In der Praxis wird ein Gläubigerantrag nur in Ausnahmefällen mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückgewiesen werden können, da wohl davon auszugehen ist, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners so gut wie jeder Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Eröffnung des Verfahrens hat (vgl. LG Osnabrück, KTS 1972,
Wesentlich mehr Gewicht ist demnach auf die Frage der ausreichenden Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrunds zu legen. Hieran wird es z.B. dann mangeln, wenn die Forderung des Gläubigers die einzige nicht erfüllte Verbindlichkeit des Schuldners darstellt und diese Forderung nicht zweifelsfrei besteht (vgl. BGH v. 14.12.2005 - IX ZB 207/04).
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nach der Begründung zu § 16 RegE u.a. dann nicht gegeben, wenn der Gläubiger im Fall der Verfahrenseröffnung an diesem Verfahren nicht beteiligt ist (HK-InsO/Sternal, § 14 Rdnr.30). Beispielhaft nennt die Begründung zu § 15 RegE hierzu den aussonderungsberechtigten Gläubiger, kann dabei aber wohl nur die Fälle meinen, in denen ein solcher Gläubiger keine weitere persönliche Forderung gegen den Schuldner hat. Dabei genügt es, dass eine solche persönliche Forderung erst dadurch entsteht, dass der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren gem. § 103 InsO die Nichterfüllung eines beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Vertrags wählt (BGH v. 29.06.2006 - IX ZB 245/05).
Nachrangige Gläubiger (§ 39 InsO), wie z.B. die Gläubiger von Gesellschafterdarlehen, sind nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 InsO am Verfahren beteiligt. Ob diesen deswegen ein Rechtsschutzbedürfnis nur dann zuzubilligen ist, wenn sie darlegen können, dass die Masse ausreichen wird, um auch auf ihre Ansprüche Zahlungen zu leisten, erscheint zweifelhaft (HK-InsO/Sternal, § 14 Rdnr. 31). Regelmäßig werden dem Gläubiger keine Informationen vorliegen, die verbindliche Aussagen über den Umfang der zu erwartenden Teilungsmasse zulassen. Demnach können von ihm auch solche Aussagen nicht verlangt werden. Allein die Tatsache der Nachrangigkeit einer Forderung indiziert mithin nicht das fehlende Rechtsschutzbedürfnis. Ansonsten müsste von jedem Insolvenzgläubiger verlangt werden, darzulegen, dass die Teilungsmasse voraussichtlich reichen wird, um die Kosten des Verfahrens und die Masseverbindlichkeiten abzudecken. Außerdem ist das Eröffnungsverfahren, das ohne unnötige Zeitverzögerung die künftige Masse sichern soll, nicht dazu geeignet, die eventuelle Nachrangigkeit einer Forderung verbindlich zu klären. Nach Ansicht des BGH (v. 23.09.2010 - IX ZB 282/09) ist der Eröffnungsantrag eines nachrangigen Gläubigers selbst dann zulässig, wenn er voraussichtlich nicht mit einer Quote rechnen kann.
Von einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis ist auszugehen, wenn der Eröffnungsantrag nur als Druckmittel gegen den Schuldner verwandt wird (vgl. AG Wuppertal v. 05.04.2012 -
Zahlt der Schuldner in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit, um die Rücknahme des Eröffnungsantrags zu erreichen oder um den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten, so sind solche Zahlungen u.U. gem. § 133 InsO als vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung anfechtbar (BGH, NZI 2003,
Auch die Verfolgung insolvenzfremder Zwecke, wie etwa die Ausschaltung von Wettbewerbern, lässt auf ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis schließen (OLG Frankfurt, ZIP 1984,
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Gläubigerantrag hängt nicht von der Höhe der Forderung ab. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann auch wegen geringfügiger Forderungen beantragt werden (BGH, NJW-RR 1986,
Zahlt ein Schuldner die dem Antrag zugrundeliegende Forderung einschließlich der Zinsen und Kosten, um die Eröffnung des Verfahrens abzuwenden, so entfällt grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers. Da damit eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Verfahrenseröffnung nicht mehr gegeben ist, müsste der Eröffnungsantrag an sich vom Insolvenzgericht als unzulässig zurückgewiesen werden. Eine andere Wertung kann jedoch insbesondere beim Fiskus oder bei den Sozialversicherungsträgern gerechtfertigt sein (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO; BT-Drucks. 18/7054, S. 16; vgl. Teil 3/1.4.2).
Die Möglichkeit, auf einfachere oder zweckmäßigere Art und Weise, etwa im Wege der Einzelzwangsvollstreckung, Befriedigung einer Forderung erlangen zu können, kann das Rechtsschutzbedürfnis für eine Antragstellung entfallen lassen, dies allerdings nur dann, wenn zum einen die Forderung tituliert ist und zum anderen aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten gegeben sind. Demnach ist es nicht grundsätzlich erforderlich, dass der Gläubiger im Vorfeld seiner Antragstellung versucht hat, im Wege der Einzelzwangsvollstreckung seine Forderung beizutreiben (LG Göttingen, ZIP 1993, 446). Wenn in der Praxis auch vielfach so verstanden, stellt der Insolvenzantrag nicht das letzte Mittel der Zwangsvollstreckung dar.
Ein Gläubiger, dessen Forderung hinreichend abgesichert ist, hat regelmäßig kein rechtliches Interesse an einer Verfahrenseröffnung (BGH v. 05.05.2011 - IX ZB 251/10; BGH v. 08.07.2010 - IX ZB 45/10), dies schon deshalb, weil er sowohl bei Immobiliar- als auch bei Mobiliarsicherheiten damit rechnen muss, Teile des Verwertungserlöses an die Masse zu verlieren (vgl. § 170 InsO; § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG). Stellt ein gesicherter Gläubiger dennoch einen Eröffnungsantrag, kann davon ausgegangen werden, dass die bestehenden Sicherheiten nicht ausreichen, um seinen Anspruch zu befriedigen. Ist die Forderung eines Gläubigers jedoch zweifelsfrei vollständig dinglich gesichert, ist dessen Insolvenzantrag unzulässig (BGH v. 29.11.2007 - IX ZB 12/07). Der Eröffnungsantrag eines an einem nicht wertausschöpfend belasteten Grundstück dinglich gesicherten Gläubigers darf nicht wegen Fehlens eines rechtlich geschützten Interesses abgewiesen werden, wenn eine Befriedigung im Wege der Zwangsversteigerung wegen der Suizidalität des Schuldners unsicher ist (BGH v. 10.12.2020 - IX ZB 24/20).
Einem Gläubiger, der seinen Insolvenzantrag auf eine verjährte Forderung stützt, ist das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen (OLG Köln, KTS 1970,
Auch wenn die Forderung noch nicht fällig ist, kann das rechtliche Interesse des Gläubigers an der Verfahrenseröffnung nicht ohne weiteres verneint werden. Ist zu befürchten, dass der Schuldner aufgrund gegebener Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit keine Leistungen erbringen wird, so besteht durchaus ein Interesse des Gläubigers daran, dass die derzeit noch vorhandenen Vermögenswerte im Rahmen des Insolvenzverfahrens gesichert werden und deren Erlös zur zumindest anteiligen Befriedigung seines Anspruchs zur Verfügung steht. Stellt allerdings die noch nicht fällige Forderung die einzige nicht erfüllte Verbindlichkeit dar, wird die notwendige Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrunds nicht gelingen.
Vermag der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbständig tätige Schuldner die daraus herrührenden Verbindlichkeiten nicht zu erfüllen, haben die Neugläubiger, solange das Insolvenzverfahren nicht abgeschlossen ist, grundsätzlich kein rechtlich geschütztes Interesse an der Eröffnung eines weiteren Insolvenzverfahrens (BGH v. 18.05.2004 - IX ZB 189/03; BGH v. 22.03.2007 - IX ZB 208/05). Dies wurde damit begründet, dass die Einkünfte des Schuldners aus einer während des eröffneten Verfahrens ausgeübten selbständigen Tätigkeit in die Masse dieses Verfahrens fallen und somit einem weiteren Insolvenzverfahren nicht unterstellt werden können. Aufgrund der nunmehr mit § 35 Abs. 2 InsO gegebenen Möglichkeit, die selbständige Tätigkeit des Schuldners freizugeben, kann dieses Argument nicht mehr greifen. Ungeachtet eines bereits eröffneten Verfahrens kann demnach ein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet werden, das sich auf die freigegebene selbständige Tätigkeit des Schuldners bezieht (BGH v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10; AG Göttingen v. 12.10.2007 -
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