LAG Thüringen - Urteil vom 07.06.2022
1 Sa 43/21
Normen:
BGB § 133; BGB § 157; BGB § 305b;
Vorinstanzen:
ArbG Gera, vom 03.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ca 56/20

Konkludentes Verhalten als Grundlage arbeitsvertraglicher AnsprücheAuslegung einer Willenserklärung

LAG Thüringen, Urteil vom 07.06.2022 - Aktenzeichen 1 Sa 43/21

DRsp Nr. 2022/10724

Konkludentes Verhalten als Grundlage arbeitsvertraglicher Ansprüche Auslegung einer Willenserklärung

1. Den Arbeitsvertragsparteien ist es erlaubt, mündlich oder sogar durch entsprechende Handhabung konkludent ergänzende, die Arbeitnehmer begünstigende Vereinbarungen zur Vergütung zu treffen. Wegen Vorrangs der Individualabrede (§ 305b BGB) steht einer solchen konkludenten Vereinbarung auch nicht eine möglicherweise im Arbeitsvertrag enthaltene sog. doppelte Schriftformklausel entgegen. 2. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist nicht allein der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Maßgeblich ist aus Gründen des Verkehrsschutzes vielmehr der sogenannte objektive Empfängerhorizont. Danach ist einer Erklärung diejenige Bedeutung beizumessen, die ein objektiver Dritter in der Situation des Erklärungsempfängers verstehen durfte. Danach ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen und der Inhalt der Vereinbarung so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.