BVerfG - Beschluß vom 14.01.1992
1 BvR 1273/91
Normen:
BGB § 541b ; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1 Art. 20 Abs. 3 ; ZPO § 765a ;
Fundstellen:
BVerfG, HdM Nr. 38
NJW 1992, 1378
WuM 1992, 104
Vorinstanzen:
AG Regensburg, vom 31.07.1990 - Vorinstanzaktenzeichen 5 C 1113/90
LG Regensburg, vom 16.07.1991 - Vorinstanzaktenzeichen S 377/90

Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip durch Versagung von Räumungsschutz bei Lebens- oder Gesundheitsgefährdung

BVerfG, Beschluß vom 14.01.1992 - Aktenzeichen 1 BvR 1273/91

DRsp Nr. 1993/22

Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip durch Versagung von Räumungsschutz bei Lebens- oder Gesundheitsgefährdung

Ist bei der beantragten Räumung der Wohnung für Erhaltungsmaßnahmen nach § 541b BGB ein schwerwiegender Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Mieters zu besorgen, so verlangt Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch eine besonders sorgfältige Nachprüfung entsprechenden Vortrags und dessen angemessene Berücksichtigung im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung.

Normenkette:

BGB § 541b ; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1 Art. 20 Abs. 3 ; ZPO § 765a ;

Gründe:

I. Die 1925 geborene Beschwerdeführerin wendet sich wegen drohender Lebensgefahr dagegen, daß sie ihre Wohnung zum Zwecke der Modernisierung vorübergehend freigeben soll.

1. Sie hatte als Mitglied eines gemeinnützigen Bauvereins, dem Kläger des Ausgangsverfahrens, auf Grund eines "Nutzungsvertrages" seit 1955 eine von dessen Wohnungen in einem 1920 gebauten Mehrfamilienhauses inne. Nach bis 1966 zurückreichenden Spannungen und Rechtsstreitigkeiten verurteilte sie das Oberlandesgericht 1987 zur Räumung bis 30. Juni 1988. Ab September 1988 wurde ihr gemäß § 765a ZPO wegen "Räumungsunfähigkeit" bis Mitte 1990 Räumungsschutz gewährt.