BGH - Beschluss vom 19.04.2023
IV ZR 204/22
Normen:
VVG § 14 Abs. 2 S. 1; GG Art. 103 Abs. 1;
Fundstellen:
r+s 2023, 446
Vorinstanzen:
LG Halle, vom 02.07.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 496/18
OLG Naumburg, vom 14.04.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 123/21

Ablehnung der Regulierung der Ansprüche aus der Wohngebäudeversicherung unter Verweis auf die vorsätzliche Nichtanzeige der Gefahrerhöhung durch den eingebauten Räucherofen

BGH, Beschluss vom 19.04.2023 - Aktenzeichen IV ZR 204/22

DRsp Nr. 2023/6258

Ablehnung der Regulierung der Ansprüche aus der Wohngebäudeversicherung unter Verweis auf die vorsätzliche Nichtanzeige der Gefahrerhöhung durch den eingebauten Räucherofen

1. Nach Art. 103 Abs. 1 GG obliegt den Gerichten auch die Pflicht, von sich aus den Beteiligten alles für das Verfahren Wesentliche mitzuteilen. Eine Verletzung dieser Pflicht verstößt jedenfalls dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn das Gericht ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit der gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligte nach dem vorherigen Verfahrensablauf nicht haben rechnen können.2. Das Gericht darf nicht ohne vorherigen Hinweis davon ausgehen, dass eine Partei neuem Vortrag des Gegners im Berufungsverfahren nicht entgegentreten möchte, wenn sich der Partei - wie hier - die Notwendigkeit weiteren Vortrags aufgrund des bisherigen Verfahrensgangs nicht hat aufdrängen müssen.3. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt auch vor, wenn das Gericht Substantiierungsanforderungen an das Bestreiten einer Partei offenkundig überspannt.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. April 2022 zugelassen.

Das Urteil wird gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.