2/3 COVID-19 und Nottestamente (Stand 10/2020)

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Autor: Grziwotz

Die Coronapandemie hat Auswirkungen nicht nur auf das Gesellschaftsrecht, in dem virtuelle Versammlungen auch ohne entsprechende Satzungsermächtigungen zusätzlich gestattet wurden, sondern auch im Erbrecht. Die Nottestamente, nämlich das Bürgermeistertestament und das Drei-Zeugen-Testament, die nur eine beschränkte befristete Geltungsdauer (§  2252 BGB) von drei Monaten seit der Errichtung haben, wenn zwischenzeitlich die Errichtung vor einem Notar möglich ist, sind kurzfristig in den Blickwinkel zumindest der juristischen Diskussion gerückt worden.

Das Bürgermeistertestament (§  2249 BGB) ist dann zulässig, wenn die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht vor dem Todeszeitpunkt des Erblassers möglich ist. Zuständig ist der Bürgermeister der Aufenthaltsgemeinde. Der Bürgermeister muss zur Beurkundung zwei Zeugen hinzuziehen, die selbst nicht bedacht oder zum Testamentsvollstrecker ernannt werden dürfen. Für das Bürgermeistertestament gelten die wesentlichen Vorschriften des Beurkundungsgesetzes. Vermag der Erblasser nach seinen Angaben oder nach der Überzeugung des Bürgermeisters eine Unterschrift nicht zu leisten, so wird sie durch die diesbezügliche Feststellung in der Niederschrift ersetzt. Formverstöße sind weitgehend unbeachtlich (§  2249 Abs.  6 BGB).

Ein Drei-Zeugen-Testament (§  2250 BGB) setzt voraus, dass sich der Erblasser an einem Ort aufhält, der aufgrund außerordentlicher Umstände abgesperrt ist, und dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder zumindest erheblich erschwert ist (§  2250 Abs.  1 BGB). Dies kann auch infolge einer Quarantäne sein. Neben dem Absperrungstestament ist auch ein Notlagentestament bei naher Todesgefahr zulässig. Die Errichtung eines Drei-Zeugen-Testaments erfolgt durch mündliche Erklärung des Erblassers vor mindestens drei Zeugen, für die wiederum keine Ausschließungsgründe vorliegen dürfen. Grundsätzlich setzt das Drei-Zeugen-Testament eine mündliche Erklärung zur Niederschrift der Zeugen voraus. Auch hier gelten für die Niederschrift im Wesentlichen die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes, wobei Formverstöße der Wirksamkeit der Beurkundung im weiten Umfang wiederum nicht entgegenstehen.

Schließlich kann auch ein Nottestament auf See, z.B. bei einer Quarantäne auf einem Kreuzfahrtschiff, errichtet werden. Auch dieses Testament erfolgt in der Form des Drei-Zeugen-Testaments. Voraussetzung ist, dass sich das Schiff außerhalb eines inländischen Hafens aufhält. Ob an Bord zufällig ein Notar anwesend ist, der auf einem unter deutscher Flagge fahrenden Schiff beurkunden dürfte, ist unerheblich.

Neben den Nottestamenten kommt auch die Errichtung eines Testaments vor einem Notar durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift in Betracht. Dies vermeidet einen längeren Kontakt im Fall von Kontaktbeschränkungen aufgrund eines Infektionsrisikos. In diesem Fall kann der Erblasser ein notarielles Testament dadurch errichten, dass er einem Notar eine Schrift mit der Erklärung übergibt, dass sie seinen letzten Willen enthalte (§  2232 Satz 1 zweite Alternative BGB). Er muss dabei die Schrift nicht selbst, insbesondere nicht eigenhändig, geschrieben haben. Auch eine Unterschrift des Erblassers muss sie nicht enthalten. Handelt es sich um eine offene Schrift, muss der Notar die Rechtswirksamkeit prüfen und bei einem von ihm selbst verfassten Testament den Erblasser belehren. Dies nimmt ihm seine Vorteile, nämlich die Beschränkung des Kontakts auf einen geringen Zeitraum, die mit der Testamentserrichtung durch Übergabe einer Schrift verbunden sind. Anders ist dies bei einem verschlossenen Schriftstück, das zudem mitunter auch deshalb gewünscht wird, weil vom Inhalt keine Person vor dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangt. Der Notar muss über den Vorgang der Übergabe des Testaments eine Schrift errichten, der die übergebene Schrift mit einer Kennzeichnung, die eine Verwechslung ausschließen soll (meist Urkundennummer und Datum und Angabe des Notars), beigefügt wird. Die Niederschrift ist vom Erblasser und dem Notar eigenhändig zu unterschreiben.

Das Erbrecht des BGB bietet somit ausreichend Möglichkeiten, um auch in der "Extremsituation" einer Pandemie, wie bereits 1918-1920 bei der Spanischen Grippe mit Millionen Toten, die Errichtung einer Verfügung von Todes wegen zu ermöglichen.