16.2.2 Anforderungen an die Urteilsgründe bei Abweichung vom Sachverständigengutachten

Autor: Artkämper

Kurzüberblick

Als Unterfall der Sachrüge ist die Darstellungsrüge dann erfolgreich, wenn die tatsächlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung in sich lückenhaft sind, Widersprüche aufweisen oder gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 11.11.2015 - 1 StR 235/15, NStZ-RR 2016, 47).

Weicht das erkennende Gericht von der Auffassung des Sachverständigen ab, müssen die Feststellungen eine Auseinandersetzung mit den relevanten Punkten des Gutachtens belegen (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2017 - 2 StR 323/16, NStZ-RR 2017, 222; BGH, Beschl. v. 19.06.2012 - 5 StR 181/12, NStZ 2013, 55). In concreto bedeutet dies, dass die "streitentscheidenden" Gesichtspunkte genannt werden müssen und darzulegen ist, mit welcher Argumentation der Sachverständige zu seiner und das Tatgericht zu einer abweichenden Meinung gelangt ist, denn nur so wird dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2000 - 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550; BGH, Urt. v. 14.09.2017 - 4 StR 45/17, StV 2018, 199).

Sachverhalt

Vor der Jugendschutzkammer wird gegen den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in mehreren Fällen verhandelt. Die zehnjährige Nebenklägerin, Opfer der angeklagten Taten, ist die Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin.