6.1.16 Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht - vorübergehende Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten oder Zeugen, § 247 StPO

Autor: Staub

6.1.16.1 Grundlagen

Praxisrelevant ist die Vorschrift des § 247 StPO, wonach der Angeklagte unter bestimmten Voraussetzungen einer Vernehmung von Mitangeklagten oder Zeugen zeitweise aus dem Sitzungszimmer entfernt wird. Dass der jeweilige Entfernungsgrund vorliegt, muss vom Gericht mit Blick auf die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Angeklagten substantiiert begründet werden; allgemein gehaltene Formulierungen reichen nicht aus.

Auch bei § 247 StPO handelt es sich um eine Kann-Vorschrift, gleichwohl soll von der Ermächtigung i.d.R. aus Opferschutzgründen Gebrauch gemacht werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen; andererseits ist § 247 StPO als Ausnahmevorschrift vom Anwesenheitsrecht des Angeklagten eng auszulegen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 247 Rdnr. 1). Wenn die Voraussetzungen für die Entfernung des Angeklagten wegfallen, so ist dieser wieder unverzüglich zuzulassen.

Praxistipp

Bei schweigender oder bestreitender Verteidigungsstrategie darf und muss Ziel der Verteidigung sein, dass Zeugen verpflichtet werden, in Anwesenheit des von ihnen bezichtigten Angeklagten auszusagen.

Fallgruppen

Die Vorschrift des § 247 StPO bestimmt vier Fälle der vorübergehenden Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer:

bei Wahrheitsgefährdung247 Satz 1 StPO),

bei Vernehmung von Kindern und Jugendlichen ("Person unter 18 Jahren") als Zeugen, wenn ein erheblicher Nachteil für deren Wohl zu befürchten ist (§  247 Satz 2 1. Alt. StPO),