6.2.9 Rechtsbehelf gegen den Vorführhaftbefehl bzw. Haftbefehl (§ 230 Abs. 2 StPO) gegen einen Angeklagten, der zur Hauptverhandlung nicht erscheint, aber entschuldigt ist

Autor: Staub

Kurzüberblick

§  230 Abs.  2 StPO normiert zwei mögliche richterliche Sanktionen gegen einen ausgebliebenen, also zur Hauptverhandlung schon nicht erschienenen Angeklagten: Zum einen kann das Gericht einen Vorführhaftbefehl erlassen, d.h., eine neue Ladung zum Hauptverhandlungstermin erfolgt nicht. Der Sitzungshaftbefehl ergeht schriftlich. Er wird dem Angeklagten erst bei Vollzug bekanntgegeben, um das Erscheinen des Angeklagten in der Sitzung zu erzwingen. Zum anderen kann das Gericht auch einen "echten" Haftbefehl nach §  114 StPO erlassen.

Die nach § 230 Abs.  2 StPO mögliche Erzwingung der Anwesenheit des ausgebliebenen Angeklagten setzt voraus, dass (1) der Angeklagte ausgeblieben ist, dass (2) er ordnungsgemäß geladen war, was festzustellen ist, und dass (3) er nicht entschuldigt ist bzw. die vorgebrachte Entschuldigung nicht genügend ist.

Insoweit setzt eine Maßnahme nach § 230 Abs.  2 StPO weder einen dringenden Tatverdacht noch einen Haftgrund (Flucht- oder Verdunklungsgefahr) voraus, sondern nur die Feststellung, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht erschienen und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist (BVerfG, Beschl. v. 27.10.2006 - 2 BvR 473/06, NJW 2007, 2318).

Sachverhalt