9.2.30 Ablehnung eines Schöffen wegen unsachlicher Äußerungen

Autor: Artkämper

Kurzüberblick

Ein Ablehnungsantrag muss unverzüglich gestellt werden. Dem Antragsteller ist - nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erhalten hat - aber eine gewisse Zeit zur Prüfung der Erfolgsaussichten und zur Abfassung des Gesuches einzuräumen. Die erforderliche Zeitspanne hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Beschl. v. 08.06.2016 - 5 StR 48/16, StV 2017, 144).

Die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters kann die Besorgnis der Befangenheit ausräumen - aber im entgegengesetzten Fall auch begründen (Artkämper, Die "gestörte" Hauptverhandlung, Rdnr. 706).

Sachverhalt

Der wegen Diebstahls in 30 Fällen vor dem Landgericht Angeklagte gab am zweiten Verhandlungstag eine mehrstündige Erklärung ab, die er mit den Worten schloss, er habe die Taten begangen, weil die Bundesrepublik Deutschland kein Sozialstaat sei und die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer würden. Daraufhin äußerte einer der Schöffen, für den Angeklagten hörbar, gegenüber dem Vorsitzenden der Großen Strafkammer: "Was faselt der denn da für einen Blödsinn?"

Im Anschluss wurde die Hauptverhandlung unterbrochen, ohne dass durch die Verfahrensbeteiligten auf die dahingehende Frage des Vorsitzenden weitere Erklärungen abgegeben worden waren.

Noch am selben Abend ging beim Landgericht ein Fax ein, in welchem der Angeklagte den Schöffen wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnte.