9.2.44 Ablehnung wegen coronabedingter Maßnahmen gegen den Verteidiger: Sitzungspolizei oder Hausrecht?

Autor: Artkämper

Kurzüberblick

Die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach den §§ 177, 178 GVG gegen einen Verteidiger ist grundsätzlich unzulässig (OLG Hamm, Beschl. v. 06.06.2003 - 2 Ws 122/03; BGH, Urt. v. 27.09.1976 - RiZ (R) 3/75; AG Köln, Beschl. v. 24.01.2020 - 537 Ds 819/19; MüKOStPO/Kulhanek, § 177 GVG Rdnr. 5); ob eine (analoge) Anwendung der §§ 177, 178 GVG über den dort genannten Personenkreis hinaus in Extremfällen denkbar ist, ist umstritten (BGH, Urt. v. 27.09.1976 - RiZ (R) 3/75; KK/Diemer, 8. Aufl. 2019, § 177 GVG Rdnr. 2 m.w.N.).

Eine analoge Anwendung der §§ 177 ff. GVG kommt nur in Betracht, wenn sitzungspolizeiliche Maßnahmen gegen nicht von den Normen genannte Verfahrensbeteiligte nicht auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden können; in Betracht kommen das Hausrecht oder allgemeine Rechtfertigungstatbestände.

Das Hausrecht als Verwaltungstätigkeit wird im Anwendungsbereich der Sitzungspolizei als Teil der Rechtspflege verdrängt und kann nur insoweit Anwendung finden, als dass nicht die Durchführbarkeit einer mündlichen Verhandlung gewährleistet werden soll (Peters/Lux, Öffentliche Gebäude und Hausrecht: Inhalt und Rechtsgrundlagen, LKV 2018, 17 ff. m.w.N.); die Anwendbarkeit genereller Rechtfertigungsgründe ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Sachverhalt