Gemäß § 397 Abs. 2 StPO ist der Nebenkläger berechtigt, sich durch einen Beistand (im Folgenden "Nebenklägervertreter") vertreten zu lassen (Personenkreis: § 138 StPO), der zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt und vom Hauptverhandlungstermin zu benachrichtigen ist. Dieses Recht besteht schon vor Anklageerhebung, auch wenn sich der Nebenkläger dann dem Verfahren nicht anschließt (§ 406g Abs. 1 StPO). Unter den Voraussetzungen des § 397a Abs. 1 StPO ist ihm auf seinen Antrag hin schon im Ermittlungsverfahren ein anwaltlicher Beistand zu bestellen.
Ein Wechsel in der Person des nach § 397 StPO bestellten Beistands eines Nebenklägers kommt analog § 143 StPO nur dann in Betracht, wenn hierfür tragfähige Gründe vorliegen. Ein bloßer Kanzleiwechsel reicht dafür nicht aus (BGH, NStZ 2010,
Mehrere Nebenkläger können sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Das Verbot der Mehrfachvertretung nach § 146 StPO gilt für die Nebenklage nicht (BeckOK StPO/Weiner, 37. Ed., § 397 Rdnr. 2, § 397a Rdnr. 23). In jüngerer Vergangenheit wurde mit Blick auf Großverfahren wie den NSU-Prozess oder das Loveparade-Verfahren diskutiert, wie eine Mehrfach- oder Gruppenvertretung legitim begründet und umgesetzt werden kann (zur Diskussion um die frühere Rechtslage Pues, StV 2014,
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl I, 2121,
Im Ergebnis ist die Schaffung des § 397b StPO zu begrüßen, und zwar nicht nur, weil damit erstmals eine eigene gesetzliche Grundlage für die Bündelung der Nebenklagevertretung geschaffen wird, sondern neben den aufgezeigten Effizienzerwägungen auch und vornehmlich deshalb, weil damit im Hauptanwendungsbereich der Bündelung - Umfangsverfahren mit zahlreichen Geschädigten - einer Verschiebung der strafprozessualen Arithmetik der Kräfteverhältnisse begegnet werden kann (Pues, StV 2014,
Die - nicht abschließende - Regelung des § 397 Abs. 1 Satz 2 StPO, die gleichgelagerte Interessen mehrerer Nebenklagevertreter vermutet, wenn sich mehrere Angehörige eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO) als Nebenkläger anschließen, greift die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung auf, wonach eine Mehrfachvertretung insbesondere bei mehreren Hinterbliebenen eines getöteten Tatopfers in Betracht kommen kann (OLG Hamburg, NStZ-RR 2013, 153, 154; OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2013 - 2 Ws 207/13, BeckRS 2013, 8020 unter II. der Gründe; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.03.2015 - III-1 Ws 40/41/15, BeckRS 2015, 14047 Rdnr. 8 ff.). Insofern kann das Gericht auch mehrere Gruppen von Nebenklägern bilden, die jeweils gleichgelagerte Interessen verfolgen, und jeder Gruppe jeweils einen gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter beiordnen. Nach der Entwurfsbegründung ist es für die Einteilung der Gruppen ohne Belang, ob die Nebenkläger Anspruch auf Bestellung eines Beistands nach § 397a Abs. 1 StPO haben oder Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO erhalten (BT-Drucks. 19/14747, S. 39).
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 397b Abs. 1 StPO vor, so eröffnet die Vorschrift auf der Rechtsfolgenseite ein Entschließungs- und Auswahlermessen. Bei der Ausübung des Entschließungsermessens, ob eine Mehrfachvertretung überhaupt anzuordnen ist, hat das Gericht nach der Begründung des Gesetzentwurfs neben der Interessenlage der Nebenkläger weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wie die Wahrung der Rechte des Angeklagten, den Resozialisierungsgedanken oder die voraussichtliche Dauer und Komplexität des Verfahrens. Liegen sachliche Gründe vor, nach denen die Wahrnehmung der Interessen der Nebenkläger nur durch einen jeweils gesonderten Rechtsbeistand sachgerecht erfolgen kann, soll von der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung abgesehen werden (BT-Drucks. 19/14747, S. 39). Ohnehin dürfte bei der Ermessensausübung der Ausnahmecharakter des § 397b StPO zu berücksichtigen sein. Denn nach wie vor gilt für die Bestellung eines Rechtsanwalts für den Nebenkläger gem. § 397a Abs. 3 Satz 2 StPO die Bestimmung des § 142 Abs. 5 Satz 3 StPO entsprechend, wonach zwar kein Rechtsanspruch auf Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts besteht, der vom Nebenkläger bezeichnete Rechtsanwalt aber durch den Vorsitzenden zu bestellen ist, wenn kein wichtiger Grund entgegensteht. Die Anordnung der Mehrfachvertretung setzt also Ermessenskriterien voraus, die einen wichtigen Grund i.S.d. § 142 Abs. 5 Satz 3 StPO darstellen. Vor diesem Hintergrund stellt es einen Ermessensfehler dar, wenn das Gericht die Mehrfachvertretung mit der Begründung anordnet, der Nebenkläger habe keine sachlichen Gründe für die Beiordnung des von ihm gewünschten Rechtsanwalts genannt (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2013 - 2 Ws 207/13, BeckRS 2013, 8020 unter II. der Gründe).
Auch die Auswahl des anwaltlichen Vertreters trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Sachliche Auswahlkriterien können beispielsweise der Wille der (Mehrheit der) Nebenkläger, der Zeitpunkt der Bestellung und des Beiordnungsantrags (Prioritätsprinzip), die Ortsnähe des Kanzleisitzes zum Gerichtsort oder etwaige Verhinderungen infolge von Terminkollision des vorgeschlagenen Nebenklagevertreters sein. Rein fiskalische Erwägungen können den Eingriff in das Recht zur freien Wahl des Nebenklagevertreters nicht rechtfertigen (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2013 - 2 Ws 207/13, BeckRS 2013, 8020 unter II. der Gründe).
Der korrekten Ermessensausübung dient es, dass das Gericht, bevor es über die Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters entscheidet, den betroffenen Nebenklägern nach § 397b Abs. 2 Satz 1 StPO rechtliches Gehör gewähren soll. Aus § 397b Abs. 2 Satz 2 StPO ergibt sich, dass bereits erfolgte Bestellungen und Beiordnungen mit der Bestellung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters nicht ipso iure erlöschen, sondern der Aufhebungen bedürfen.
Ein dem Nebenklagevertreter durch die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung etwa entstehender Mehraufwand wird regelmäßig durch den Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV RVG abgegolten. Unter den dort geregelten Voraussetzungen besteht nach § 51 RVG auch die Möglichkeit der Bewilligung einer Pauschgebühr.
In der neugeschaffenen Vorschrift des § 53a RVG ist der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts geregelt, der infolge der Bündelung nicht im Bestellungs- oder Beiordnungsweg zum Zug gekommen ist. Die Vorschrift knüpft an § 397b Abs. 3 StPO an, wonach das Gericht die Beiordnungs- und Bestellungsfähigkeit festzustellen hat. Ist dies festgestellt, so ergibt sich der gegen die Staatskasse gerichtete Anspruch aus § 53a i.V.m. §§ 45 ff. RVG.
Wie wenig Durchschlagskraft die Regelung letztlich entfaltet, zeigt die Annahme des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 19/14747, S. 39), es solle dem Nebenkläger unbenommen bleiben, sich entweder unter Verzicht auf einen Bestellungs- bzw. Beiordnungsantrag oder zusätzlich zu dem gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter durch einen Wahlnebenklagevertreter auf eigene Kosten vertreten zu lassen. Dadurch würde - allenfalls - der Kostensenkungszweck, nicht aber der Effizienzzweck der Regelung erreicht.
Die mit Anordnung der Bündelung der Nebenklage einhergehende Aufhebung einer erfolgten oder die Ablehnung einer Bestellung bzw. Beiordnung kann - wie schon nach der bisher geltenden Rechtslage - mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO angefochten werden (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2013 - 2 Ws 207/13, BeckRS 2013, 8020 unter II. der Gründe). Antragsberechtigt ist insofern aber nur der Nebenkläger selbst, nicht der von der Bündelung betroffene Rechtsanwalt, der nicht bestellt bzw. als Beistand beigeordnet wird (OLG Köln, Beschl. v. 22.02.2013 - 2 Ws 100/13, BeckRS 2013, 17029 unter II. der Gründe).
Testen Sie "Der Strafprozess - Strategie und Taktik in der Hauptverhandlung" jetzt 14 Tage kostenlos und rufen Sie Ihr Dokument sofort gratis ab.
|