27.1.7 Beiordnung eines Nebenklagevertreters und Prozesskostenhilfe

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27.1.7.1 Grundsätze

Die Beiordnung eines Nebenklagevertreters ist in § 397a Abs. 1 StPO, die Gewährung von Prozesskostenhilfe in § 397a Abs. 2 StPO geregelt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 397a Abs. 2 StPO) - die nur für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, nicht aber zur Entlastung von sonstigen Kosten des Nebenklägers bewilligt werden kann - kommt danach nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Beistands (§ 397a Abs. 1 StPO) nicht vorliegen (vgl. BGH, NStZ 2000, 218, 219).

Eine in der vorangegangenen Instanz erfolgte Bestellung eines Rechtsanwalts i.S.d. § 397a Abs. 1 Satz 1 StPO wirkt über die jeweilige Instanz hinaus und gilt somit auch für das Revisionsverfahren (BGH, NStZ 2000, 218, 219; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 291, 292), sie wirkt aber nicht für das Adhäsionsverfahren (BGH, NJW 2001, 2486). Für die instanzenübergreifende Wirkung ist es ohne Belang, ob der Angeklagte wegen eines in § 397a Abs. 1 Satz 1 StPO bezeichneten Delikts erstinstanzlich verurteilt wird (so - begründunglos - BGH, BeckRS 2001, 6352 unter 2. der Gründe; BGH, BeckRS 2002, 7442), weil eine neue Prüfung und Bestellung gerade nicht erfolgt.

Der anwaltliche Gebührenanspruch des nach § 397a Abs. 1 StPO bestellten Rechtsanwalts richtet sich nach § 53 Abs. 2 RVG nach den Gebühren des beigeordneten Verteidigers (§ 52 RVG). Der Verurteilte hat die Gebührenzahlungen der Staatskasse zu erstatten (§§ 464a, 465 StPO). Aus § 53 Abs. 2 RVG ergibt sich, dass den Nebenkläger kein Kostenrisiko trifft.

Demgegenüber ist Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert zu gewähren (KK/Walther, § 397a Rdnr. 11), insbesondere wirkt die Bewilligung durch den Tatrichter nicht für das Revisionsverfahren fort (BGH, BeckRS 2006, 06532). Daher muss der antragstellende Nebenkläger in jeder Instanz seine wirtschaftlichen Verhältnisse erneut darlegen; jedoch kann die Bezugnahme auf eine in der Vorinstanz abgegebene Erklärung ausreichen, sofern sich die maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit der früheren, auf dem Vordruck abgegebene Erklärung in keinem Punkt geändert haben. Solchenfalls kann sich der Antragsteller damit begnügen, ebendies unter Verweisung auf seine früheren Angaben zu erklären (BGH, NJW 1983, 2145, 2146).

Vorrang der Bestellung des Beistands

Die Bestellung eines Beistands für den Nebenklageberechtigten gem. § 397a Abs. 1 StPO (sog. privilegierte Beiordnung) geht der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO vor, denn sie ist für den Antragsteller günstiger, nämlich unabhängig von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vorzunehmen (BGH, NStZ-RR 2008, 255). Die privilegierte Beiordnung setzt voraus, dass einer der in § 397a Abs. 1a StPO enumerativ aufgezählten Konstellationen einschlägig ist (Einzelheiten bei KK/Walther, § 397a Rdnr. 3 ff.; BeckOK StPO/Weiner, 37. Ed., § 397a Rdnr. 5 ff.).

Erweiterung der privilegiert beiordnungsfähigen Sexualstraftaten

Durch das am 13.12.2019 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl I, 2123) hat § 397a Abs. 1 Nr. 1 StPO eine Erweiterung erfahren, indem nunmehr nicht nur bei Verbrechen, sondern auch bei besonders schweren Fällen eines Vergehens nach § 177 Abs. 1, 2, 6 StGB die privilegierte Beiordnung eingreift. Damit wird der Gesetzesänderung durch das 50. Strafrechtsänderungsgesetz vom 04.11.2016 (BGBl I, 2460) Rechnung getragen, wonach auch nach § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB erschwerte Fälle von Vergehen nach § 177 Abs. 1, 2 StGB aus dem Vergewaltigungsstrafrahmen bestraft werden. Unter § 397 Abs. 1 Nr. 1 StPO fallen künftig also auch Verletzte eines nach § 177 Abs. 6 StGB erschwerten Vergehens des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1, 2 StGB.

Wird die Prozesskostenhilfe bewilligt, so entsteht dem beigeordneten Rechtsanwalt ein Gebührenanspruch gegen die Staatskasse (§§ 45, 48 RVG) und der Staatskasse ggf. ein Erstattungsanspruch gegen den Nebenkläger. Gleichwohl soll der dem Nebenkläger im PKH-Wege beigeordnete Rechtsanwalt seinen Gebührenanspruch gem. § 126 ZPO auch direkt gegen den Verurteilten geltend machen können (näher dazu sowie zu den spezifisch PKH-rechtlichen Fragen LR/Hilger, § 397a Rdnr. 15). Unzulässig soll die Beiordnung eines Rechtsanwalts unter Beschränkung auf die Vergütung eines ortsansässigen Rechtsanwalts sein, weil diese Beschränkung gesetzlich nicht vorgesehen ist (OLG Brandenburg, BeckRS 2010, 935 unter II. 2. der Gründe m.w.N.). Den (nach Absatz 1 oder nach Absatz 2) beizuordnenden Rechtsanwalt bestimmt der Vorsitzende nach Maßgabe des § 142 Abs. 1 StPO397a Abs. 3 Satz 2 StPO); ein etwaiger Verstoß gegen die Auswahlgrundsätze ist als Teil der Gewährung der Prozesskostenhilfe gem. § 397a Abs. 3 Satz 2 StPO unanfechtbar (Rieß/Hilger, NStZ 1987, 145, 154).