4.2.1 Fesselung des Angeklagten während der Dauer der Hauptverhandlung

Autor: Schulz-Merkel

Kurzüberblick

Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden (§ 176 GVG). Dabei hat dieser grundsätzlich einen gewissen Ermessensspielraum (OLG Hamm, Beschl. v. 09.01.2014 - III- 5 RVs 134/13, NStZ-RR 2014, 114).

Eine Fesselungsanordnung kann auf die sitzungspolizeiliche Norm des § 176 GVG gestützt werden, aber auch auf § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO, wonach der Vorsitzende die geeigneten Maßregeln treffen kann, um die Entfernung des Angeklagten zu verhindern.

Sofern die Anordnung der Fesselung für die Zeit der Hauptverhandlung auf die sitzungspolizeiliche Norm des § 176 GVG gestützt wird, kann die Maßnahme nur dann mit der Beschwerde gem. § 304 StPO angegriffen werden, wenn der Fesselung eine über die Dauer der Hauptverhandlung oder sogar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung zukommt und insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen des Betroffenen dauerhaft tangiert und beeinträchtigt werden (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.03.2016 - 1 Ws 28/16, BeckRS 2016, 05196).

Die Fluchtgefahr, die für eine Fesselungsanordnung nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO erforderlich ist, entspricht nicht der Fluchtgefahr als Haftgrund i.S.d. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, wie z.B. eine mögliche Suizidabsicht oder eine angekündigte Gewalt gegen Verfahrensbeteiligte oder sonstige Personen.